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Gelungene Digitalisierung: Kriterien

Was sind Kriterien gelungener Digitalisierung? Mitglieder des PAK Digitalisierung haben darüber diskutiert und Kriterien aufgestellt.

von Kirsten Messer-Schmidt (Leitung PAK-Digitalisierung), Prof. Dr. Dennis-Kenji Kipker (Leitung PAK-Digitalisierung), Prof. Dr. Florian Allwein (Mitglied PAK Digitalisierung), Cornelia Winter (Mitglied PAK Digitalisierung)

Trotz guter Fortschritte steht Deutschland im Index für die digitale Wirtschaft und Gesellschaft (DESI) der EU-Kommission unter den 27 Mitgliedstaaten an 13. Stelle [1]. In der öffentlichen Diskussion wird regelmäßig postuliert, dass die Digitalisierung in Deutschland gescheitert sei oder scheitern wird, bzw. im globalen Wettbewerb bereits der Anschluss verloren wurde. Wir haben uns darum die Frage gestellt, an welchen Kriterien dieses Scheitern festgemacht wird bzw. umgekehrt gedacht, anhand welcher Kriterien eine gelungene Digitalisierung oder Digitale Transformation erkennbar ist.

Die Ergebnisse unserer Diskussion können unter folgenden Überschriften zusammengefasst werden. Gelungene Digitalisierung erfordert vor allem:

  1. eine klare Zieldefinition und Zweckorientierung,
  2. ein ernst gemeintes Neudenken von Organisationen, Strukturen und Prozessen,
  3. die frühzeitige Prüfung und Berücksichtigung von Mindestanforderungen an digitale Systeme oder Technologien und
  4. geeignete Prozesse für Entwicklung und Change-Management

Wir erläutern diese Kriterien im Folgenden.

1. Klare Zieldefinition- und Nutzenorientierung

Digitalisierung/Digitale Transformation ist kein Selbstzweck. Sie beinhaltet auch die Verantwortung für die positiven und ggf. negativen Folgen des Vorhabens, sei es für ein Unternehmen/eine Organisation und seine/ihre Mitarbeitenden oder aber auch darüber hinaus für Umwelt und Gesellschaft.

Bevor ein Digitalisierungsvorhaben gestartet wird, sollte daher grundsätzlich die Frage nach den gewünschten Zielen, dem Bedarf und Nutzen beantwortet werden, um in der Umsetzungsphase eine Referenz für die tatsächliche Zielerreichung, den Realisierungsgrad von Anforderungen sowie mögliche Risiken für die Organisation und darüber hinauszu haben und um sicherzustellen, dass das gewählte Vorgehen für den Anwendungsfall der jeweiligen Organisation geeignet ist.

Im Idealfall lässt sich bei einem jedem Digitalisierungsprojekt eine Balance zwischen den drei Nachhaltigkeitsaspekten[2]: (wirtschaftlich, ökologisch,  und sozial) herstellen.

2. „Neudenken“ von Organisation, Strukturen, Zusammenarbeit und Prozessen, d.h. neue Perspektiven einnehmen in allen Dimensionen einer Organisation

Nach unserer Auffassung bedeutet Digitalisierung/Digitale Transformation nicht, einfach nur analoge Daten in eine digitale Form umzuwandeln, sondern neue Geschäftsmodelle, Kunden-Interaktionen und Prozesse durch „die zielgerichtete Identifikation und ein konsequentes Ausschöpfen von Potenzialen, die sich aus digitalen Technologien ergeben“ [3] zu ermöglichen, um messbare und langfristige Mehrwerte zu schaffen.

Dazu ist es notwendig, ein „Neu-Denken“ zu wagen, vorhandene Strukturen aufzubrechen, sich auf einen Kulturwandel und Mindset Change einzulassen, Unvorstellbares und Unvorhergesehenes zu erlauben, neue genuin digitale Prozesse zu implementieren.

3. Frühzeitige Prüfung und Berücksichtigung von Mindestanforderungen an digitale Systeme oder Technologien

Die im Zuge von Digitalisierungsprojekten entstehenden digitalen Systeme/Technologien sollten eine Reihe von Kriterien erfüllen. Diese sollten möglichst früh analysiert und geplant werden, um aufwändiges Nachrüsten weitgehend zu vermeiden. Die Kriterien beziehen sich auf die technische Infrastruktur, das Design der digitalen Systeme/Technologien und auf die Anwender*innen.

  1. Infrastrukturkriterien sind z. B. Stabilität, Sicherheit , Performanz und Geschwindigkeit, Rechtssicherheit für den Einsatz und die Entwicklung von Produkten.
  2. Kriterien für das Lösungsdesign sind z. B. Technologie-Offenheit, Skalierbarkeit, Integrierbarkeit durch z. B. offene Schnittstellen, strukturierte Datenablage, Nachvollziehbarkeit in Vorgehensweise und Dokumentation, transparente Algorithmen und Demokratie-Kompatibilität.
  3. Kriterien für die Anwender*innen sind etwa erkennbarer Nutzen, leichte Verständlichkeit der Ziel- und Zwecksetzung des Digitalisierungsvorhabens, Datenschutz und benutzergruppenspezifische Usability (u. a. Inklusion).

4. Geeignete Prozesse für Entwicklung und Change-Management

Die Komplexität und „Neuheit“ digitaler Transformation erfordert für Transformationsvorhaben andere Herangehensweisen und Change Prozesse. Je nach Szenario und Branche sind iterative und/oder partizipative Vorgehensweisen zu empfehlen.

Kriterien sind z. B. die Einbindung aller relevanten Personen über den gesamten Lebenszyklus, Verantwortungsbewusstsein für den gesamten Lebenszyklus, Prototyping (PoCs, MVPs, Refactoring), ehrliche Fehlerkultur, Dialog zwischen Organisation, Anwendern und Technologie, Standardisierung, Auswahl des „richtigen“ Vorgehens für den jeweiligen Kontext wählen (nicht jede „Good Practice“ passt für jede Organisation)

Fazit: Es lassen sich eine Reihe von Kriterien ausmachen, deren Beachtung zum Gelingen von Digitalisierungsvorhaben signifikant beiträgt. Diese Kriterien sind nicht neu und auch nicht abschließend, doch werden sie in der Praxis häufig außer Acht gelassen.

Für mehr Erfolg digitaler Projekte in Deutschland lohnt es sich diese Kriterien als Leitplanken  im Auge zu behalten.

Was ist eure/Ihre Erfahrung? Woran scheitern Digitalisierungsvorhaben eurer/Ihrer Sicht?
Schreibt uns/Schreiben Sie uns: pak-digitalisierung@lists.gi.de


[1]https://digital-strategy.ec.europa.eu/en/policies/countries-digitisation-performance

[2]https://sustainabledevelopment.un.org/content/documents/5987our-common-future.pdf

[3]https://www.bmvg.de/resource/blob/143248/15d202fcda3a43572c22c9f03b49e208/20191029-download-erster-digitalbericht-data.pdf