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Lexikon

WAP (Wireless Application Protocol)

WAP (Wireless Application Protocol) befindet sich im Brennpunkt zweier Kommunikationstechnologien mit immensem Wachstumspotential und soll diese vereinen: Internetapplikationen und Mobilfunktechniken.

 

Seit Verabschiedung der ersten WAP-Spezifikation 1.0 durch das WAP-Forum im April 1998 hat das Internet mit seinen Chancen Chancen und Herausforderungen auch im Bereich der Mobilkommunikation neue Möglichkeiten sowohl im kommerziellen als auch im privaten Umfeld eröffnet.

Im Unterschied zum Internet, das für die zuverlässige und breitbandige Kommunikation zwischen leistungsfähigen Großrechnern, Workstations und PCs konzipiert wurde, unterliegen Endgeräte auf dem Massenmarkt im Mobilfunksektor starken kommerziellen Randbedingungen (low-end devices), d.h., sie verfügen über weniger leistungsstarke CPUs, geringere Speicherkapazitäten, niedrigeren Stromverbrauch und kleinere Displays. Darüber hinaus besitzen Mobilfunknetze bedingt durch frequenzbedingte Einschränkungen und Mobilität der Teilnehmer eine geringere Bandbreite, größere Kommunikationsverzögerungen sowie eine geringere Stabilität und Verfügbarkeit aus Sicht der Teilnehmerverbindungen.

WAP spezifiziert aus diesem Grund ein Anwendungsframework und optimierte Protokolle für die Kommunikation von mobilen Endgeräten, wie z.B. Telefonhandys, digitale Assistenten (PDA: Personal Digital Assistant), Laptops oder intelligente Telematikgeräte im Kfz-Umfeld mit Web-Servern im Internet. Hauptziele der zentral koordinierten WAP-Standardisierung durch das WAP-Forum sind:

  • Definition und Spezifikation einer globalen Protokollarchitektur, die unabhängig von den Netztechniken existierender digitaler Mobilfunksysteme den Internetzugang eröffnet;
  • Realisierung von Zugriffstechniken und Anwendungen, die auf die Bedürfnisse und Eigenschaften mobiler Endgeräte und ihrer Benutzer zugeschnitten sind;
  • Integration und Erweiterung von existierenden Standards so weit wie möglich;
  • Interoperabilität zwischen Endgeräten unterschiedlicher Hersteller und Basisdiensten der verschiedenen Mobilfunkstandards;
  • Skalierbarkeit und Anpassbarkeit des Dienstportfolios der Netzbetreiber an Kundenwünsche;
  • Garantie der geforderten Kommunikationsmerkmale im Bereich von Dienstgüte (QoS: Quality of Service), Zuverlässigkeit und Sicherheit.

Nachfolgend werden die wichtigsten Komponenten der WAP-Protokoll-Architektur auf Basis des derzeitigen WAP-Standards 1.1 und einige zusätzliche Merkmale der ab Herbst 2000 geplanten Erweiterung 1.2 vorgestellt.

WAP-Protokollarchitektur

Ein wesentliches Merkmal von WAP ist die Bereitstellung einer skalierbaren und erweiterbaren Anwendungs- und Kommunikationsinfrastruktur zur Unterstützung mobiler Kommunikationsgeräte.

Dies wird durch die hierarchisch geschichtete WAP-Protokollarchitektur gewährleistet, die in Abb. 1 dem WWW-Protokollstack des Internet gegenübergestellt ist. Jede horizontale WAP-Protokollschicht ist im Vergleich zu den Internetprotokollen auf die Bedürfnisse der mobilen Endgeräte mit den oben beschriebenen Ressourcenbeschränkungen angepasst und optimiert. Je nach Anwendung können einzelne Kommunikationsmerkmale über Schnittstellen und vertikale Dienstprotokolle aktiviert und überwacht werden.

Wireless Application Environment (WAE)

WAE stellt eine allgemeine Anwendungsumgebung bereit und integriert sowohl WWW-Datendienste als auch Mobiltelefonsprachdienste. Primäres Ziel ist die effiziente Unterstützung von Netzbetreibern und Dienstanbietern unter Berücksichtigung der heterogenen Vielfalt möglicher Endgeräte. Ermöglicht wird dies durch eine Mikrobrowser-Umgebung:

  • WAE stützt sich auf ein Client/Server-Programmier- und Zugriffsmodell. Im Unterschied zum WWW erfolgt die Kommunikation zwischen mobilem Client und Web-Server indirekt über einen Proxy-Server mit Gateway-Funktionalität. Durch komprimierte Binärverschlüsselung der WML-, HTML- und XML-Beschreibungen mittels Encode-/Decode-Funktionen reduziert sich die zu übertragende Datenmenge auf der Funkschnittstelle erheblich.
  • Wireless Markup Language (WML) ist eine auf die Bedürfnisse mobiler Endgeräte zugeschnittene Seitenbeschreibungssprache und als XML-Dokumententyp spezifiziert. WML basiert auf einem Card-/Deck-Paradigma, d.h., ein Deck besteht aus einer Menge von Cards, die alle gleichzeitig in das mobile Endgerät geladen werden. Auf einzelne Cards kann danach unmittelbar mittels Browsen ohne Belastung der Funkschnittstelle zugegriffen werden.
  • WMLSkript ist eine leichtgewichtige, prozedurale Skriptsprache und eine angepasste Teilmenge von ECMASkript, das auf JavaScript aufbaut. WMLSkript ermöglicht u.a. die Validierung von Benutzereingaben, den Zugriff auf spezielle Gerätefunktionen oder Benutzerinteraktionen ohne netzbedingte Verzögerungen. WMLSkript kann analog WML in einen speicheroptimierten Bytecode übersetzt werden, was für den WAP-Client transparent bleibt.
  • Der WAE User Agent ist eine Client-seitige geräteabhängige Benutzerumgebung, die auf der Basis von URLs (Uniform Resource Locators) Daten aus dem Netz übernimmt, den Inhalt anwendungsspezifisch interpretiert und entsprechend darstellt. Beispiele sind der WTA (Wireless Telephony Application) User Agent zur Unterstützung telefonspezifischer Aufgaben, wie z.B. Rufkontrolle, und Web-Browser für den Zugriff auf Internetdaten.
  • Eine effiziente Datencodierung (Content Encoding) reduziert den Kommunikationsaufwand. Komprimierte Inhaltstypen (Content Types) existieren u.a. für WML, WMLSkript, verschiedene Grafikformate, Visitenkarten und Kalenderaustauschformate.

Wireless Session Protocol (WSP)

Je nach Anwendung bietet WSP einen verbindungsorientierten Netzzugriff unter Verwendung von WTP und einen Datagrammdienst mit Hilfe von WDP. Wesentliche Charakteristika:

  • Bereitstellung konsistenter Zustandsinformationen zwischen Client und Server für die optimierte Übertragung von Seiteninhalten;
  • Semantik und Transportmechanismen basieren auf HTTP 1.1;
  • Verhandeln von Capabilities (Protocol Feature Negotiation) während des Verbindungsaufbaus:
    • Nachrichtenlängen von Client und Server,
    • Protokolloptionen: bestätigter und unbestätigter Push-Dienst, Suspend/Resume einer Sitzung,
    • maximale Anzahl ausstehender Anfragen;
  • Unterstützung von Multibearer-Endgeräten (Suspend/Resume ermöglicht die effiziente Freigabe nicht genutzter Bearer-Ressourcen)

Wireless Transaction Protocol (WTP)

WTP stellt einen leichtgewichtigen Transaktionsdienst zur Verfügung, der an ressourcenarme Mobilstationen ("thin" clients) angepasst ist und auf WDP aufsetzt. Zu den Diensten zählen u.a.

  • synchrone Transaktionsklassen: unzuverlässiger 1-Weg-Request, zuverlässiger 1-Weg-Request und bestätigter 2-Wege-Request/Reply;
  • optionale Endezu-Ende-Bestätigung (Userto-User Reliability) durch getriggerte Bestätigungsmeldungen für jede empfangene Nachricht;
  • Zusammenfassung mehrerer Protokolldateneinheiten und gezielte Verzögerung von Bestätigungsmeldungen zur Reduzierung der Nachrichtenanzahl;
  • parallele Kommunikation durch asynchrone Transaktionen, die unmittelbar nacheinander im Client initiiert werden, wobei Ergebnismeldungen in beliebiger Reihenfolge eintreffen dürfen.

Wireless Transport Layer Security (WTLS)

WTLS dient der Sicherung von schutzwürdigen Daten über unsichere Netzinfrastrukturen, zur Authentifizierung von Teilnehmern, z.B. beim Austausch von Visitenkarten, und zur Verhinderung von "Denial-of-Service"-Angriffen durch Detektion und Abweisung von Nachrichten, die sich als nicht ausreichend verifizierbar erweisen.

WTLS verwendet zur Erfüllung seiner Aufgaben Funktionen und Protokollelemente des Internetstandards TLS, wie z.B. kryptographische Verschlüsselungsalgorithmen auf Basis von öffentlichen Schlüsseln. In Abhängigkeit von den Sicherheitsvorgaben können Anwendungen selektiv Sicherungsdienste hinzunehmen oder deaktivieren. Beispielsweise unterstützt WAE die Authentifizierung zwischen WAP-Client und -Server mittels Benutzername-/Passwort-Abfrage, die unter WSP und HTTP 1.1 bereitgestellt wird.

Wireless Datagram Protocol (WDP)

WDP stellt den höheren WAP-Protokollen einen Datagrammdienst zur Verfügung und dient gleichzeitig als Schnittstelle zu den darunter liegenden Trägerdiensten (Bearer Services), die nicht mehr durch WAP-Spezifikationen definiert sind. WDP gewährleistet durch Konvergenzfunktionen die Anpassung der Transportschicht an die bereitgestellten Trägerdienste und somit die funktionelle Unabhängigkeit der höheren WAP-Schichten von dem eigentlichen Mobilfunknetz. Nach Möglichkeit sollen vorhandene Protokolle direkt übernommen werden, wie z.B. UDP (User Datagram Protocol), wenn WDP auf IP (Internet Protocol) aufsetzt.

Trägerdienste

Die WAP-Architektur ist so konzipiert, dass WAP-Anwendungen über verschiedenste Mobilfunknetze mit unterschiedlichster Dienstgüte (QoS: Quality of Service) wie Durchsatz, Fehlerrate, Verzögerungsoder Echtzeitverhalten kooperieren können. Die WAP-Protokolle sind in der Lage, die unterschiedlichen QoS-Eigenschaften der Netze zu kompensieren oder angemessen zu tolerieren. Zu den wichtigsten Trägerdiensten gehören:

  • SMS (Short Message Service): GSM-Dienst mit maximal 14,4 kbps Datenübertragungsrate;
  • HSCSD (High-Speed Circuit Switched Data): GSM-Kanalbündelung mit 57,6 kbps;
  • EDGE (Enhanced Data Rates for GSM Evolution): 48 kbps (statt heute 22,8 kbps) Bruttodatenrate pro GSM-Kanal, bei 8 er-Kanalbündel maximal 384 kbps;
  • GPRS (General Packet Radio Service): bei Nutzung von 8 Zeitschlitzen maximal 171,2 kbps mit Unterstützung von 4 QoS-Klassen; Mobilteilnehmer ist immer „online" mit dem Internet verbunden, d.h., es entfallen Verbindungsaufbauzeiten;
  • UMTS (Universal Mobile Telecommunication System): Je nach Anwendung und Mobilität liegt die Datenrate zwischen 144 kbps (Großzellen, mobiler Teilnehmer) und 2 Mbps (Kleinzellen, quasistationärer Teilnehmer).

Fazit

Vieles spricht dafür, dass sich WAP-Applikationen in vielen Bereichen des öffentlichen und privaten Lebens in relativ kurzer Zeit etablieren können. Beispiele dafür sind der Zugriff auf behördliche Informationssysteme (Einwohnermeldeamt, Katasteramt, Arbeitsamt, Finanzamt usw.), Cityinformationssysteme, Positionierungs- oder Routenplanungssysteme, Kfz-Telematikdienste, elektronisch unterstütztes Einkaufen und Reisen, intelligente Haushaltskomponenten oder medizinische Überwachungsassistenten.

Gerade das letzte Beispiel verdeutlicht aber auch weiteren Forschungsbedarf auf den Problemfeldern Sicherheit, Dienstgüte und garantiertes Echtzeitverhalten. Insbesondere mit Bluetooth, dem Defacto-Standard für den Massenmarkt der peripheren Endgeräte und PDAs im frei zugänglichen 2,4-GHzISM-Band (Industry, Science, Medicine), der auch als als möglicher WAP-Bearer gehandelt wird, gewinnen diese Fragestellungen zunehmend an Bedeutung.

Literatur

  1. Tolksdorf R.: XML und darauf basierende Standards. Die neuen Auszeichnungssprachen des Web. Informatik Spektrum 22 (6), 1999
  2. Standard ECMA-262: ECMAScript Language Specification. ECMA, June 1997
  3. Flanagan D.: JavaScript: The Definitive Guide. O'Reilly & Associates 1997
  4. Fielding R. et al.: Hypertext Transfer Protocol - HTTP/1.1, January 1997. ftp.isi.edu/in-notes/rfc2068.txt
  5. Dierks, T., Allen, C.: The TLS Protocol, January 1999. ftp.isi.edu/in-notes/rfc2246.txt
  6. Bluetooth: www.bluetooth.com
  7. WAPJAG: www.wapjag.de
  8. WAP Forum: www.wapforum.org

Autor und Copyright

Winfried Dulz
Universität Erlangen, 
Institut für Informatik, 
Martensstraße 3, 
D-91058 Erlangen
dulz@informatik.uni-erlangen.de

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