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BlogbeitragInformatik und Gesellschaft

„Wir müssen Frauen nicht für Technik begeistern, sondern einfach aufhören, sie auszubremsen“

Edna Kropp ist Sprecherin der Fachgruppe Frauen und Informatik und setzt sich mit mehreren Initiativen für mehr Diversität in der Informatik ein. Im Interview berichtet sie von gemeinsamem Engagement, den Vorteilen des GI-Netzwerks und was sich seit der Gründung der Fachgruppe auf gesellschaftlicher Ebene verändert hat.

Frau Kropp, Sie sind Informatikerin und Team Lead im Bereich Conversational AI und Automatisierung. Wie sind Sie dort gelandet?

Über Umwege! Ich wusste ehrlich gesagt nicht von Anfang an, dass ich in der Informatik lande, hatte aber immer schon Berührungspunkte. Als ich zehn Jahre alt war habe ich meinen ersten Computer geschenkt bekommen, zu einer Zeit, wo das nicht selbstverständlich war. Ich fand das damals schon unglaublich spannend. Später habe ich mein Volldiplom in BWL abgeschlossen, doch war beruflich nicht da, wo ich hinwollte. Deshalb habe ich nochmal von vorne angefangen – mit Informatik. Inzwischen bin ich seit 20 Jahren in dem Bereich und arbeite mit einer bunten Mischung an Menschen zusammen, die, genau wie ich, keinen gradlinigen Lebenslauf haben. Das ist für mich das Schöne an der Informatik: Es ist eine junge Disziplin mit vielen verschiedenen Einstiegsmöglichkeiten und Perspektiven.

Sie arbeiten nicht nur als Informatikerin, sondern engagieren sich ehrenamtlich in vielen Initiativen, vor allem im Bereich Women in Tech.

Ja, das Thema Frauen und Technik liegt mir am Herzen, weil es mich auch persönlich betrifft. Und ich will dort Dinge bewegen. Als Sprecherin der Fachgruppe Frauen und Informatik der GI habe ich eine Menge Möglichkeiten. In meiner Firma bin ich außerdem in einem Counsel für Diversity, Equity and Inclusion, wo ich viel von anderen lerne. Frauen in der Technik, das ist ja nur ein Teilbereich, und mir ist es wichtig, das Gesamtbild zu sehen und offen zu bleiben. Gleichzeitig interessieren mich Innovationen. Ich habe zum Beispiel ein Projekt initiiert, wo wir einen Bot bauen für Geflüchtete aus der Erdbeben-Katastrophe in der Türkei und in Syrien. Mit solchen ehrenamtlichen Tätigkeiten kann ich mich einbringen und etwas zurückgeben, deswegen mache ich das auch.

Wie schaffen Sie es, den Überblick zu behalten?

Eine Mischung aus eigenem Vermögen und Unterstützung im Team. Man muss Prioritäten setzen können, gut strukturiert und flexibel sein. Ich bin eine ganz gute Projektmanagerin, auch in meinem Privatleben, denn ich habe drei Kinder, die versorgt sein wollen. Aber ich mache das nicht alles alleine. In der Fachgruppe habe ich eine gewisse Verantwortung als Sprecherin, doch wir alle bringen Themen voran. Und wir haben im letzten Jahr viele neue Leute dazubekommen, die super engagiert sind.

Wofür engagieren Sie sich gemeinsam mit der Fachgruppe?

Im Fokus steht die Stärkung der Positionen und Interessen von Frauen. Das ist ein politisches Thema, innerhalb der GI, aber auch außerhalb. Deshalb setzen wir viel auf Kooperationen, zum Beispiel beim Thema Bildung und Nachwuchs. Und was wir außerhalb von Einflussnahme ganz konkret machen: Wir organisieren Veranstaltungen und haben einen bunten Strauß an Angeboten, auch zur individuellen Förderung. Vor allem aber können wir uns in der Fachgruppe technisch austauschen!

Ich vernetze mich intern, überregional, übergreifend. In der Gruppe sind Professorinnen, Frauen, die leitende Positionen in der IT haben, Studentinnen, Frauen, die sich für Technik interessieren, aber noch nicht in dem Bereich sind... Am Ende des Tages ist es ein breites Berufs-Netzwerk.

Ein Netzwerk nur für Frauen?

Nur mit Frauen können wir nichts verändern. Wir brauchen die Männer und kriegen viel Unterstützung von verschiedenen Stellen. Wir haben Sponsoren, wir haben Unterstützung von der Geschäftsstelle und anderen Gruppierungen der GI. Auch Männer sollen und müssen sich beteiligen, da sie in Positionen sind, in denen sie Diversity-Themen vorantreiben können.

Die Fachgruppe gibt es seit 30 Jahren. Sie waren zwar nicht bei der Gründung dabei, aber vielleicht lang genug, um zu erzählen, wie sich die Arbeit in dem Bereich verändert hat.

Ich finde die Zahl wahnsinnig beeindruckend. Und es sind noch viele Frauen von damals in der Fachgruppe. Dadurch haben wir einen riesigen Erfahrungsschatz. Vor 30 Jahren war das, was die Frauen geleistet haben, Pionierarbeit. Damals ging es darum, überhaupt die Ungleichheiten aufzuzeigen, Awareness zu schaffen. Heute können wir darauf aufbauen, wir haben mehr Rückenwind.

Doch der Anteil der Frauen in der Informatik ist immer noch recht gering.

Das stimmt. Und es ist wichtig und gut, dass wir dieses Bewusstsein und auch die entsprechenden Daten dazu haben.

Was können wir dagegen machen?

Das Thema hat eine hohe Komplexität. Grundsätzlich ist es positiv, dass die Problematik bekannt ist und entsprechende Zahlen erhoben werden. Dadurch können wir Stellschrauben identifizieren und arbeiten, ebenso wie verschiedene Initiativen, an entsprechenden Lösungen. Leider verändern sich gesellschaftliche und soziale Strukturen nicht über Nacht. Aber sie verändern sich! Ich spüre, dass den Leuten das Problem bewusster ist und es gibt viele Tendenzen in die richtige Richtung. Von mir aus könnte es auch schneller gehen, genau deshalb bin ich ja an dem Thema dran.

Wie können wir denn Frauen für die Informatik begeistern?

Ich würde es andersrum sehen: Wir sollten sie nicht abschrecken. Die Strukturen müssen die Partizipation von Frauen endlich ermöglichen und ihnen Türen öffnen, statt sie zuzuschlagen. Technik ist so spannend wir müssen Frauen nicht dafür begeistern, sondern einfach aufhören, die Neugier daran auszubremsen.

Interview: Tami Kelling

 

Mehr als 30 Jahre Einsatz für Chancengleichheit.

Die Fachgruppe Frauen und Informatik der GI setzt sich seit 1986 für eine gleichberechtigte Teilhabe von Frauen in der Informatik sowie Chancengleichheit im Berufsleben ein. Mit Vernetzungsangeboten, spannenden Veranstaltungen und durch die Bereitstellung wichtiger Informationen engagieren sich die Mitglieder für Women in Tech.

Porträt von Edna Kropp
Edna Kropp ist Sprecherin der Fachgruppe Frauen und Informatik. Sie leitet zahlreiche Initiativen zur Förderung von Frauen in der IT.