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Blogbeitrag

Stereotypen entgegenwirken: Für mehr Frauen und Mädchen in der Informatik

Zahlen zur Studien- und Berufswahl in der Informatik zeigen, wie stark das Berufsfeld Informatik von Geschlechterungleichheit geprägt ist. Für die Erarbeitung von Handlungsempfehlungen zu Gesellschaftlichen Wirkfaktoren / Familie und Technikkultur hat das Projekt #FrauWirktDigital untersucht, wie gesellschaftliche Wirkfaktoren die Berufswahl beeinflussen.

#FrauWirktDigital beschäftigt sich in der Veröffentlichung „Handlungsempfehlungen Stereotype in Gesellschaft, Bildungsinstitutionen und Familie“ mit dem Thema Stereotype in Gesellschaft, Bildungsinstitutionen und Familie und deren Auswirkungen auf das Berufswahlverhalten von Jugendlichen im Allgemeinen und im Hinblick auf Mädchen mit der Wahl von Studiengängen und Berufen in Informatik und IT im Besonderen. Die Studie zeigt, dass gesamtgesellschaftlich gültige Normen und Werte nach wie vor wirksam sind. Noch immer existieren stereotype Vorstellungen darüber, wie Frauen und Männer sich verhalten sollen, welche Rolle sie in der Gesellschaft einzunehmen haben und wo sie arbeiten sollen und führen dazu, dass junge Frauen (und junge Männer) ihre Studien- und Berufswahl nicht nach Neigung und Interesse, sondern nach ihrer vermeintlichen Geschlechterrolle treffen. 

Stereotype zeigen sich unter anderem in traditionellen Rollenzuweisungen in Familie und Beruf sowie in einem geschlechtsspezifischen Berufswahlverhalten von Jugendlichen, das zu einem geringen Frauenanteil in IT, Technik und Informatik führt.

Anhand ausgewählter Good-Practice-Beispiele, die #FrauWirktDigital im Rahmen der Studie identifiziert hat, wird zu den Themen Eltern, Gesellschaft, Schule und Informatik-Fachbereichen aufgezeigt, wie es gelingen kann, nach wie vor wirksame Stereotype in Gesellschaft, Bildungsinstitutionen und Familien zu verändern. Good-Practice-Beispiele wie die „Lange Nacht der Wissenschaften Berlin“ (Information zur Langen Nacht der Wissenschaft Berlin 2023 ist abrufbar unter langenachtderwissenschaften.de) oder Angebote anderer Städte (z.B. Mainzer Wissenschaftsallianz finden sich unter wissenschaftsallianz-mainz.de) zeigen, wie ein Grundverständnis für Wissenschaft, Technik und Informatik für alle Altersgruppen vermittelt werden kann. Die Angebote sollten niedrigschwellig sein und auch weibliche Rollenvorbilder an allen Stellen der Vermittlung einbeziehen. 

Die aus den Erkenntnissen abgeleiteten Handlungsempfehlungen wirken indirekt auf die Veränderung von stereotypen Vorstellungen in der Gesellschaft: Eine Sichtbarmachung von Frauen insbesondere in der Informatik auf allen Qualifikationsstufen soll dazu führen, sie in der Gesellschaft als etwas Selbstverständliches wahrzunehmen. Good-Practice-Beispiele sind hier das Professorinnenprogramm der Bundesregierung (bmbf.de) und das Projekt „Hack the Wiki Gap – Innovative Frauen sichtbar machen“ (innovative-frauen-im-fokus.de). Gefordert wird in diesem Zusammenhang von Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Unternehmen, weibliche Vorbilder in der Informatik sichtbar zu machen und ihnen Raum und Bühne zu geben, ihre Leistungen darzustellen. „Hack the Wiki Gap“ könnte als innovatives Format in das Curriculum des Informatikstudiums übernommen werden. 

Im Fokus Schule und Informatik-Fachbereiche werden stereotype Rollenbilder und männliche Fachkulturen näher beleuchtet. Es zeigt sich, dass geschlechterstereotype Vorstellungen über den gesamten Bildungsverlauf an Kinder und Jugendliche weitergegeben werden und sich diese auch immer noch in den Fachkulturen der Informatik-Fachbereiche wiederfinden. Veränderung könnte hier die gendersensible Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften bringen, um oftmals unbewusste Muster zu erkennen und aufzubrechen.

Um Stereotypen entgegenzuwirken, ist eine klischeefreie Bildung für alle Kinder und Jugendlichen zentral. Die hierzu ausgesprochenen Handlungsempfehlungen zielen vor allem auf einen Kulturwandel in den Informatikdisziplinen. Außerdem wird ein stärkerer Praxisbezug, anwendungsbezogene Didaktik und die verstärkte Einbindung von interdisziplinären, sozialen Themen sowie Nachhaltigkeitsthemen gefordert, um so den Frauenanteil in Informatikstudiengängen nachhaltig zu erhöhen. So zeigt zum Beispiel der Frauenanteil von je über 45 Prozent in den Studienbereichen Medizinische und Bio-Informatik im Vergleich zu 19,5 Prozent weiblicher Studierender im Fach Informatik (jeweils WS 2022/23), dass eine interdisziplinäre Ausrichtung von Informatik-Studiengängen ein Anreiz für Frauen ist, diese Bereiche zu wählen (Quelle: Statistisches Bundesamt 2023). 

Die Elterngeneration der Jugendlichen, die sich heute in der Berufsorientierungsphase befinden, ist durch die existierenden gesellschaftlichen Normen und Werte geprägt. Das gesamtgesellschaftliche Umfeld und die Familie sind also zwei stark aufeinander einwirkende Kräfte, die die persönliche Entwicklung und die Berufswahl beeinflussen. Die Studie zeigt, dass insbesondere der Einfluss der Eltern auf die Berufsorientierung und die Berufswahl ihrer Kinder groß ist. Dies ist besonders bedeutsam, da die Einstellung und das Verhalten der Eltern prägend auf Kinder wirken und somit auch das Interesse für oder gegen einen Beruf in Digitalisierung und Informatik beeinflussen. Entsprechend spielen diese komplexen Interaktionen eine entscheidende Rolle bei der Entstehung von Einstellungen und Karriereentscheidungen junger Menschen.  

Hierzu sollten u.a. Eltern bei Berufsorientierungsveranstaltungen über Digitalisierung und Informatikberufe informiert werden und durch die politischen Akteur*innen die Bedeutung von Digital- und Informatikkompetenzen für alle Menschen vermittelt werden. Gute Beispiele hier sind Kooperationen von Arbeitsagenturen mit Unternehmen unter Einbeziehung der Eltern in Form von „Elternabenden“ (arbeitsagentur.de) und die Schnupperausbildung des Ada-Lovelace-Projekts in Koblenz (ada-lovelace.de), bei der Eltern zu den Begleitveranstaltungen eingeladen sind. 

Kooperation ist wichtig: Die Handlungsempfehlungen zu den unterschiedlichen Themen zeigen, dass ein Zusammenwirken aller Beteiligten notwendig ist, um Schülerinnen den Weg in Informatikausbildungen und -berufe zu öffnen und Stereotype zu überwinden. Von den Eltern über die Studien- und Berufsorientierungsverantwortlichen in den Schulen und Ämtern, Informatiklehrkräfte, Gleichstellungsbeauftragte, weiblichen Informatikfachkräfte bis hin zu Politikerinnen und Politikern wird ein Zusammenspiel aller Akteur*innen benötigt, um über Stereotype in der Informatik und die Vielfalt der späteren Berufsmöglichkeiten in der Informatik zu informieren, die Stereotype aufzubrechen, damit Kinder und Jugendliche fundiert und praxisbasiert für die Karrieremöglichkeiten in Informatik sensibilisiert werden können. 

Zum Volltext der Handlungsempfehlungen Stereotype: Handlungsempfehlungen_Stereotype

Weitere Handlungsempfehlungen wurden im Rahmen des Projekts für die Bereiche Bildung (vgl. GI-Radar 337), Frauen in IT-Berufen und Frauen in Gründung und Innovation veröffentlicht.

Das Projekt #FrauWirktDigital (#FrauWirktDigital) wurde von der Initiative #SheTransformsIT (#SheTransformsIT) ins Leben gerufen, von der Stiftung Mercator (Stiftung Mercator) gefördert und vom Kompetenzzentrum Technik-Diversity-Chancengleichheit e.V. (kompetenzz.de) umgesetzt. 

Dieser Beitrag stammt von Viola Riemann vom Kompetenzzentrum Technik-Diversity-Chancengleichheit e.V. und dem ehemaligen GI-Präsidiumsmitglied Prof. Dr. Ira Diethelm von der Universität Oldenburg. Er erschien zuerst in unserem Newsletter GI-Radar. Alle Ausgaben gibt es hier zum Nachlesen.

Drei Studierende machen ein Selfie vor einer Pressewand: Tech Crush – Crushing IT
Stereotype beeinflussen nach wie vor die Berufswahl von jungen Menschen. Umso wichtiger ist es, Mädchen und jungen Frauen Wege in die Informatikausbildung aufzuzeigen.