Zum Hauptinhalt springen
StellungnahmeInformatik und Ausbildung

Stellungnahme KMK-Fachstandards Lehrerbildung

Stellungnahme zu den Veränderungsvorschlägen zu den „Ländergemeinsamen inhaltlichen Anforderungen für die Fachwissenschaften und Fachdidaktiken in der Lehrerbildung“ (Fachstandards) der Kultusministerkonferenz auf Basis der KMK-Strategie zur „Bildung in der digitalen Welt“

Von
Prof. Dr. Ira Diethelm, Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
Prof. Dr. Torsten Brinda, Universität Duisburg-Essen
Gesellschaft für Informatik, Fachbereich Informatik und Ausbildung/Didaktik der Informatik

 Erstmals 1987 hat die Bund-Länder-Kommission inhaltlich schon sehr ähnliche Anforderungen an die schulische Bildung als informationstechnische Grundbildung formuliert. Damals ist man aber nicht den Schritt gegangen, der nun angestrebt wird. Damals hat keine Standardisierung der Lehrerbildung in dieser Hinsicht stattgefunden. Die Länder haben wie jetzt auch Überlegungen angestellt, welche der Inhalte (damals noch keine Kompetenzen) in welche Fächer integriert werden könnten. Bos, Eickelmann und Gerick (ICILS-Studie 2013) fassen die Situation wie folgt zusammen:

„In den 1980ern wurde ein bildungspolitischer Konsens darüber erzielt, dass Schulen der wachsenden Bedeutung der Informations- und Kommunikationstechnologien Rechnung tragen sollten (vgl. Hendricks & Schulz-Zander, 2000). Die Bund- Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung (BLK) verabschiedete eine erste Rahmenempfehlung  für die Bundesländer. Mit dieser sollte die Integration einer sogenannten ‚informationstechnischen Grundbildung‘ durch Anbindung an die bestehenden Fächer implementiert werden (vgl. Altermann-Köster, Holtappels, Kanders, Pfeiffer & de Witt, 1990). Die Ergebnisse von Modellversuchen in diesem Bereich wurden mit einem ‚Gesamtkonzept  für die informationstechnische Bildung‘ veröffentlicht (vgl. BLK, 1987). Ende der 1980er Jahre erfolgte darauf aufbauend schließlich die verpflichtende Einführung einer informationstechnischen Grundbildung (ITG) in der Sekundarstufe I mit dem Ziel, Grundlagenwis- sen zum kompetenten und verantwortungsbewussten Umgang mit Informationstechnologien zu vermitteln. Bilanzierend ist zu sagen, dass die mit der Einführung der ITG erzielte Breitenwirkung allerdings nicht erreicht wurde (vgl. Schulz-Zander, 2001).“

Eine integrierte Grundbildung, in der die Verantwortung  für bestimmte Bereiche bestimmten Fächern übertragen worden ist, in der es jedoch keine konkreten Vorgaben für die Lehrerbildung der einzelnen Fächer und auch keine Qualitätskontrollen durch Prüfungsleistungen oder Zeugnisnoten gegeben hat, kann somit als gescheitert beurteilt werden. Damals wie heute hatten und haben die Lehrkräfte die von den Vorgaben geforderten Kompetenzen selbst vielfach nicht, die ihre Schülerinnen und Schüler erlangen sollen. Lehrende und Lernende sind damals wie heute in der Situation, dass sie die nötigen Kompetenzen zum Umgang mit digitalen Technologien meist unstrukturiert privat oder in ihrem sozialen Umfeld außerhalb von Schule und Universität erlangen und versuchen, anlassbezogen autodidaktisch Lücken zu schließen.

So ist es nicht verwunderlich, dass die Schülerinnen und Schüler Deutschlands in der ICILS- Studie im internationalen Vergleich eher im Mittelfeld abschneiden. Dies ist sogar noch eine gute Leistung, wenn man die Einstellungen und Selbsteinschätzungen von Lehrkräften international zu dem Thema vergleicht. Hier ist Deutschland bei den in der Studie verglichenen Nationen das Schlusslicht beim Einsatz von Computern im Unterricht und beim eigenen Zutrauen in die didaktischen Fähigkeiten bzgl. digitaler Medien. Somit wird deutlich, dass gerade der Lehrerbildung eine besondere Bedeutung zuteilwird, um Neuland zu verlassen und die deutschen Schulabgängerinnen und abgänger endlich – wie es im Bildungsauftrag in den Schulgesetzen der Bundesländer festgeschrieben ist – angemessen auf die gesellschaftliche Teilhabe als mündige Bürger vorzubereiten und allen Kindern die dafür notwendigen Kennt nisse und Fähigkeiten unabhängig vom Elternhaus zuteilwerden zu lassen. Nur mit dem in der KMK-Strategie zur Bildung in der digitalen Welt festgeschriebenen Mindestmaß von auf Digitalisierung bezogenen Kompetenzen werden die Schülerinnen und Schüler befähigt, ihre Persönlichkeit in einer von Digitalisierung durchdrungenen Welt auf der Basis einer demokra tischen Gesellschaft weiterzuentwickeln.

Wenn aber damals wie heute die Lehrkräfte – und damit auch die Lehrerbildner selbst – nicht oder nur unzureichend über die angestrebten Kompetenzen verfügen, erst recht Lücken in der fachdidaktischen und methodischen Umsetzung eines adäquaten Unterrichts haben und die Lehrerbildung bisher völlig unspezifisch „digitale Kompetenzen“ von den Lehrkräften einfordert (vgl. Lehrerbildungsmonitor, 2018), sind ganz besonders detaillierte Vorgaben nötig. Es kann derzeit nicht erwartet werden, dass jede Lehrkraft und jede Lehrerbildnerin dieselbe Vorstellung und auch angemessene Kenntnis davon haben, wie man die geforderten „digitalen Kompetenzen“ unterrichten und einen zeitgemäßen Unterricht mit digitalen Medien gestalten sollte. Dazu gehört auch die unterrichtliche Reflexion darüber, wie sich die den jeweils eigenen Unterrichtsfächern zugeordneten wissenschaftlichen Disziplinen im Lichte der Digitalisierung weiterentwickeln. Hier kommt sowohl den erziehungswissenschaftlichen als auch den fachspezifischen Vorgaben der KMK für die Lehrerbildung eine ganz besondere Aufgabe zu, um die guten Schritte, die begonnen wurden, nicht durch die gleichen Fehler, die vor 30 Jahren gemacht wurden, zunichte zu machen.

(Auszug)

Über die Autoren:

Prof. Dr. Torsten Brinda ist Sprecher des Fachbereichs Informatik und Ausbildung/Didaktik der Informatik in der Gesellschaft für Informatik. Er ist Inhaber des Lehrstuhls für Didaktik der Informatik am Institut für Informatik und Wirtschaftsinformatik der Universität Duisburg-Essen und davor sieben Jahre lang Inhaber der Professur für Didaktik der Informatik am Department Informatik der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Seine wissenschftliche Karriere begann als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Didaktik der Informatik und E-Learning zunächst an der Universität Dortmund und dann an der Universität Siegen.

Prof. Dr. Ira Diethelm ist Universitätsprofessorin für Didaktik der Informatik an der Universität Oldenburg. 2010 bis 2012 war sie darüber hinaus Vizedirektorin des Didaktischen Zentrums Universität Oldenburg. Zuvor hatte sie die Verwaltung der Stiftungsprofessur „Informatik in der Bildung“ der Universität Oldenburg übernommen und war Gastwissenschaftlerin an der Technischen Universität Braunschweig. Davor war Ira Diethelm als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachgebiet Software Engineering an der Universität Kassel tätig und hat als Lehrerin für Mathematik, Chemie und Informatik am Gymnasium Gaußschule in Braunschweig gearbeitet. Ira Diethelm ist Sprecherin der Fachgruppe „Didaktik der Informatik“ in der GI und Mitglied des Digitalrats Niedersachsen.

Die Stellungnahme im Volltext