Zum Hauptinhalt springen
StellungnahmeInformatik und Ausbildung

Stellungnahme der FG IB NRW: Einführung des Faches Informatik in die Stundentafeln an weiterführenden Schulen

Stellungnahme im Rahmen der Verbändebeteiligung zur Neuordnung der APO SI an Gymnasien, vorgelegt von der Fachgruppe Informatische Bildung in Nordrhein-Westfalen (FG IBN)

 

Die Informationsgesellschaft ist Realität und die digitale Transformation schreitet weiter voran. Dies betrifft schon heute alle Lebensbereiche der Bürgerinnen und Bürger und wird sich in den folgenden Jahren weiter beschleunigen. Doch wie können wir die Herausforderungen, die auf unsere Gesellschaft zukommen, bestmöglich bewältigen? 

Es hat sich in der Vergangenheit gezeigt und zeigt sich auch in der Gegenwart, dass die zielgerichtete Nutzung und erst Recht die Beherrschung digitaler Werkzeuge, Infrastrukturen und Handlungen in erster Linie von dem Verständnis der diesen Systemen zugrunde liegenden Ideen abhängig ist. Ohne die Kenntnis und Verinnerlichung dieser Ideen ist der Einzelne im Wesentlichen eine fremdgesteuerte Person, die weitgehend den intensiven Werbeversuchen großer Konzerne schutzlos ausgeliefert ist. Daher ist es im Sinne einer aufklärerischen Erziehung zwingend, diese grundegenden Ideen in der Schule zu vermitteln. Das Fach, in dem diese Grundlagen gelegt werden, ist die Informatik. Sie ist die Leitwissenschaft der digitalen Gesellschaft. 

Die Entwicklung informatischer Bildung kann nur in dem für alle Schülerinnen und Schüler verpflichtenden Schulfach Informatik erfolgen, wie es in Bayern, Sachsen, Baden-Württemberg und Mecklenburg-Vorpommern etabliert ist. Nordrhein-Westfalen muss diesen Wettbewerbsnachteil, auch im Vergleich zu vielen europäischen Nachbarländern, schnellstmöglich abbauen. Durch die Rückkehr zum Abitur nach 9 Jahren an den Gymnasien und die dadurch entstandene curriculare Diskussion ist es sinnvoll, jetzt in allen Schulformen die seit Jahrzehnten überfällige Strukturreform durchzuführen und Informatik verpflichtend für alle Schülerinnen und Schüler in der Sekundarstufe I einzuführen. 

  • Die verlängerte Lernzeit ermöglicht die Einführung des Schulfaches Informatik ohne Einschnitte in andere Schulfächer. 
  • Bildungsstandards für das Pflichtfach Informatik in der Sekundarstufe I wurden durch die Gesellschaft für Informatik bereits im Jahr 2008 formuliert (vgl. [2]) und können die Basis für die Lehrpläne für alle Schulformen sein. 
  • In den Regierungsbezirken Düsseldorf und Köln findet an 80 Gymnasien aktuell ein Modellvorhaben mit verpflichtendem Informatikunterricht in der Orientierungsstufe (Klasse 5 und 6) statt, auf dessen Erfahrungen zurückgegriffen werden kann. 
  • Das Pilotprojekt »Informatik an Grundschulen« des Bildungsministeriums in Kooperation mit den Universitäten Wuppertal, Aachen und Paderborn (vgl. [3]) liefert wertvolle Hinweise zur altersgerechten Vermittlung von Informatikkompetenzen in der Grundschule. 
  • Erfahrene Lehrkräfte, die Informatik seit Jahren erfolgreich in der Oberstufe und im Differenzierungsbereich unterrichten, sind an den Gymnasien präsent (vgl. [4]). 
  • Das Land Nordrhein-Westfalen verfügt über acht Universitäten, an denen Informatik-Fachdidaktik etabliert ist. Diese universitären Standorte verfügen über Ressourcen, um eine deutlich größere Zahl an Informatiklehrkräften auszubilden. Darüber hinaus können jederzeit die in der Vergangenheit erfolgreiche Maßnahmen zur Weiterqualifizierung von Lehrkräften mit anderen Lehrbefähigungen (sogenannte Sprinterstudiengänge) von den Universitäten schnell wieder aufgenommen werden. Es ist dafür Sorge zu tragen, dass interessierte Studienanfänger nicht durch den Numerus Clausus beispielsweise in den Bildungswissenschaften an der Aufnahme des Studiums des Lehramtes im Fach Informatik gehindert werden können. 

Wir begrüßen, dass Frau Ministerin Gebauer die Bedeutung von Informatik in der Schule erkennt und Informatik fördern möchte (vgl. [5]). Gleichzeitig ist im aktuell vorliegenden Entwurf für die G9-Stundentafel (vgl. [6]) das Schulfach Informatik nicht berücksichtigt. Es ist dringend vonnöten, durch die vom Landtag Nordrhein-Westfalen am 6. April 2017 einstimmig beschlossene »Stärkung des Schulfachs Informatik«, bereits in der Grundschule mit verpflichtendem Informatikunterricht zu beginnen und diesen in der weiterführenden Schule in einem Pflichtfach fortzusetzen, um damit dem Gendergap in Informatik ernsthaft begegnen zu können. 

Vom Pflichtfach Informatik über das Leitfach Informatik zum Hauptfach Informatik: In Mecklenburg-Vorpommern hat das Pflichtfach Informatik schon seit vielen Jahren seinen Platz in allen Schulen – zunächst als Bestandteil der Arbeitslehre, jetzt als eigenständiges Fach und zukünftig als Leitfach, um den 2 Anforderungen aus der Vereinbarung der Bund-Länder-Kommission gerecht werden zu können. Wir erleben also eine schrittweise Erweiterung der Notwendigkeit des Schulfachs Informatik. Dies wurde auch in anderen Bundesländern zum Anlass genommen, den Stellenwert des Schulfachs Informatik durch Einträge in den Stundentafeln zu erhöhen. Aktueller Stand: Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Bayern und Baden-Württemberg haben Informatik als Schulfach in den Stundentafeln verankert. In Bayern gibt es Bemühungen, Informatik auch für die Grundschulen verfügbar zu machen. 

Hier muss eine Überarbeitung zugunsten eines für alle Schülerinnen und Schüler verpflichtenden Informatikunterrichts erfolgen. Es ist zweifelsohne sinnvoll, das verpflichtende Angebot in allen Schulformen durch weitergehenden Unterricht im Wahlpflichtbereich zu verstärken. Wenn Informatik aber nur als eine von mehreren Wahl-Alternativen im Differenzierungsbereich angeboten wird, wird dem überwiegenden Anteil aller Schülerinnen und Schüler unseres Landes die Chance verwehrt, eine fundierte informatische Bildung zu erhalten und auf die Anforderungen einer zunehmend von Informatiksystemen geprägten Welt vorbereitet zu werden. Informatik muss Teil der persönlichen Bildungsbiografie (vgl. [7 und \8]) aller Schülerinnen und Schüler werden.

Literatur:

[1] Schulgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (2018) - t1p.de/cxw4
[2] Gesellschaft für Informatik (2008): Grundsätze und Standards für die Informatik
in der Schule - t1p.de/xb2w
[3] Informatik an Grundschulen - IaG.nrw.de
[4] Antwort auf die Kleine Anfrage zur Unterrichtsversorgung Informatik (2016)
- t1p.de/g4p8
[5] WDR aktuell - Beitrag zur Rückkehr zu G9 - t1p.de/4crq
[6] Entwurf einer G9-Stundentafel vom 05.09.2018 - t1p.de/zcb4
[7] Deutsche UNESCO-Kommission: Bildungsbiografie - Schulbildung -
t1p.de/pyv6
[8] Müller, Dorothee: Der Berufswahlprozess von Informatiklehrkräften. Nummer
11 in Commentarii informaticae didacticae (CID), Potsdam, 2017. Universiätsverlag
Potsdam. Überarbeitete Fassung der Dissertation, Universität Wuppertal,
2016.

Autoren:
Fachgruppe Informatische Bildung in Nordrhein-Westfalen - FG IBN

Die Stellungnahme als pdf zum Herunterladen.