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BlogbeitragInformatik und Ausbildung

Digital kompetente Lehrkräfte brauchen auch Informatikkompetenzen

Seit Ende November 2023 sind in der Digitalen Bibliothek der GI Empfehlungen zu Informatikkompetenzen für alle Lehrkräfte verfügbar, die in den vergangenen Jahren vom GI-Arbeitskreis „Lehrkräftebildung Informatik” erarbeitet wurden.

In Folge der für Deutschland ernüchternden Ergebnisse der International Computer and Information Literacy Study (ICILS 2013, vgl. Bos u. a. 2014) und der auch dadurch geprägten KMK-Strategie zur Bildung in der digitalen Welt (Sekretariat der KMK 2016) wurde der Erwerb digitalisierungsbezogener Kompetenzen in den schulischen Lehrplänen und in allen Phasen der Lehrkräftebildung verankert. Dies geschah jedoch in der Breite mit einem Fokus auf die Einbeziehung digitaler Medien in den Unterricht und die Schulentwicklung aus der Perspektive der jeweiligen Fächer und der Bildungswissenschaften. Inzwischen nutzen Lehrkräfte aller Fächer und Schulstufen zunehmend Informatiksysteme für ihren Unterricht und andere professionsbezogene Tätigkeiten und gelangen bei deren Auswahl und Anwendung stets in Entscheidungssituationen, die auch aus Informatikperspektive kompetentes Handeln erfordern (unter anderem im Hinblick auf Datenschutz und Datensicherheit, Algorithmen, Netzwerke und Künstliche Intelligenz). Deshalb erscheint es unumgänglich, dass zukünftig alle (angehenden) Lehrkräfte auch mindestens grundlegende Informatikkompetenzen erwerben.

Zur Konkretisierung, welche Informatikkompetenzen alle Lehrkräfte deshalb zukünftig in ihrer Aus- bzw. Fortbildung erwerben sollten, wurde folgender Ansatz gewählt: Ausgehend von Bildungsstandards der Kultusministerkonferenz für das professionsbezogene Handeln von Lehrkräften, in denen die Tätigkeiten Unterrichten, Erziehen, Beurteilen und Innovieren differenziert werden, wurden diesen Tätigkeiten zugeordnete Kompetenzanforderungen mit explizitem oder implizitem Bezug zur digitalen Transformation aus einer Informatikperspektive heraus analysiert. Dies erfolgte mittels der sog. Persona-Methode, indem für o. g. Kompetenzanforderungen anhand der fiktiven Lehrkraft Kim auch aus Informatikperspektive kompetentes Verhalten exemplarisch beschrieben wurde. Diese Beschreibungen stellen die Grundlage für 53 daraus abgeleitete, von allen Lehrkräften für die Bewältigung ausgewählter Handlungssituationen ihres beruflichen Alltags benötigten Informatikkompetenzen dar. Dieser Weg der Orientierung am Lehrkräftehandeln wurde gewählt, um zu verdeutlichen, dass wirklich alle Lehrkräfte unabhängig von ihren jeweiligen Unterrichtsfächernzukünftig solche Kompetenzen benötigen.

Zur Einordnung in den innerinformatischen Kompetenzdiskurs und zur Sicherung der Vollständigkeit wurden anschließend die in den GI-Empfehlungen für Bildungsstandards Informatik für die Sekundarstufe I (GI 2008) enthaltenen Kompetenzbereiche genutzt, die aus den Handlungssituationen abgeleiteten Informatikkompetenzen zu ordnen. Die Empfehlungen für die Sekundarstufe I wurden gewählt, da sie eine informatische Allgemeinbildung für alle Schüler*innen beschreiben, was gut zum Ziel einer informatischen Bildung aller Lehrkräfte passt. Bei dieser Vorgehensweise zeigte sich, dass die aus den Handlungssituationen abgeleiteten und die in den GI-Empfehlungen für die Sekundarstufe I enthaltenen Informatikkompetenzen in etwa vergleichbaren Umfang haben.

Frühere Empfehlungen für informatische Bildung der Gesellschaft für Informatik haben in der Vergangenheit bei der Gestaltung von Informatikunterrichts in Schulen sowie bei der Konkretisierung von Informatikstudiengängen große Beachtung gefunden und wurden und werden als Referenzdokumente bei der Gestaltung von Kernlehrplänen für Informatikunterricht sowie auch im Rahmen von Informatik-Studiengangsakkreditierungen herangezogen. Da die Verankerung des Erwerbs von Informatikkompetenzen im gesamten nationalen System der Lehrkräftebildung vom Studium bis in die Fortbildung, in allen Schulformen und für Lehrkräfte aller Schulfächer eine sehr große Aufgabe und Herausforderung ist, empfiehlt das Dokument zur Umsetzung eine Reihe von Maßnahmen. Hervorgehoben werden u. a. die Notwendigkeit zur Verankerung in Rahmenvorgaben für die Lehrkräftebildung auf Bundes- und Bundeslandebene sowie in den Leitdokumenten von Institutionen im Bereich der Lehrkräftebildung aller Phasen. Dazu gehört auch das Schaffen verpflichtender Lerngelegenheiten im Umfang von ca. 5 bis 10 ECTS-Punkten. 

Begleitend zur Arbeit sammelte der Arbeitskreis gute Beispiele zur Umsetzung von informatischer Bildung für alle Lehrkräfte im Studium. Diese konkretisieren die Position und können als Inspirationsquelle für alle dienen, die ebenfalls Studienangebote mit diesem Ziel etablieren möchten.

Die Empfehlungen wurden am 30. Juni 2023 vom Präsidium der GI beschlossen und sind in der digitalen Bibliothek verfügbar. Alle bisher erschienenen Empfehlungen der GI sind zudem hier online verfügbar: https://gi.de/service/publikationen/empfehlungen

Nachbemerkung: Im GI-Radar war Anfang Dezember 2023 eine Meldung enthalten, die den Eindruck erweckte, es sei eine neue GI-Empfehlung für das Unterrichten von Informatik erschienen. Hierbei handelte es sich um einen redaktionellen Irrtum. Die jetzt erschienene Empfehlung konkretisiert Informatikkompetenzen, die insbesondere auch Nicht-Informatik-Lehrkräfte in ihrem Schulalltag (auch außerhalb des Unterrichtens) benötigen.

Referenzen

Bos, Wilfried u. a. (2014). ICILS 2013. Computer- und informationsbezogene Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern in der 8. Jahrgangsstufe im internationalen Vergleich. ger. Münster [u.a.]: Waxmann. ISBN: 978-3-8309-3131-7. DOI.

Gesellschaft für Informatik e. V., Hrsg. (2008). Grundsätze und Standards für die Informatik in der Schule – Bildungsstandards Informatik für die Sekundarstufe I. Empfehlungen der Gesellschaft für Informatik e. V. Erarbeitet vom Arbeitskreis »Bildungsstandards« – Beschluss des gi-Präsidiums vom 24. Januar 2008 – veröffentlicht als Beilage zu LOG IN 28 (2008) Heft 150/151. https://t1p.de/7wru (besucht am 30.11.2023).

Sekretariat der KMK Hrsg. (2016). Bildung in der digitalen Welt: Strategie der Kultusministerkonferenz. Kultusministerkonferenz (8. Dez. 2016). Taubenstraße 10, 10117 Berlin: KMK Berlin. https://t1p.de/y65o.

Diesen Beitrag hat der Arbeitskreis „Lehrkräftebildung Informatik“ geschrieben.

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Die Empfehlungen, erarbeitet vom GI-Arbeitskreis „Lehrkräftebildung Informatik” sind in der digitalen Bibliothek der GI verfügbar.