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InterviewInformatik und Gesellschaft

Die Digitalisierung ist ja omnipräsent - Interview mit Alexander von Gernler

Die Gesellschaft für Informatik agiert an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Politik/Gesellschaft. Das neu gewählte Vorstandsmitglied Alexander von Gernler leitet die Forschung bei der genua GmbH, einem IT-Sicherheitsunternehmen, das Firewalls, Fernwartungs- und VPN-Systeme, Mobile-Security- sowie System-ManagementLösungen anbietet. Im GI-Vorstand ist er unter anderem mit Themen rund um den Nachwuchs beschäftigt.

Herr von Gernler, welchen Weg sind Sie innerhalb der GI gegangen und was sind Ihre Anliegen?

Zur GI bin ich vor einigen Jahren gekommen, weil ich zum Junior Fellow ernannt wurde. Das war eine große Ehre für mich, aber zugleich auch eine große Verpflichtung, mich noch stärker für die Belange der Informatik in Deutschland einzusetzen. Bereits seit meinem Studium – und mittlerweile auch beruflich – beschäftige ich mich sehr intensiv mit IT-Sicherheitsfragen, und da haben mir die GI-Mitgliedschaft und die Kontakte, die ich hier knüpfen konnte, sehr geholfen. Durch mein Engagement konnte ich auch bereits etwas an den Verein zurückgeben, was mir sehr wichtig ist. Privat und auch in der GI setze ich mich stark für Fragen der informationellen Selbstbestimmung und der Privatheit in der Welt von morgen ein. Ein besonderes Anliegen ist mir die gesellschaftliche Verantwortung, die wir als Gestalter der digitalen Welt haben – ob wir wollen oder nicht: Keine andere Berufsgruppe baut derzeit in globalem Maßstab die Welt so radikal um wie die Informatikerinnen und Informatiker. Dessen sollten wir uns bewusst sein und uns nicht nur an hohen Gehältern oder enormer Jobsicherheit erfreuen.

Warum ist die Arbeit der GI aus Ihrer Sicht insbesondere für Unternehmen spannend und wichtig?

Die Gesellschaft für Informatik ist eine unabhängige Instanz in der IKT- und Informatik-Welt. Wir vertreten knapp 20.000 Informatikerinnen und Informatiker, die das Ziel haben, die Informatik zum Wohle aller weiterzuentwickeln und informationstechnische Prozesse kritisch und konstruktiv zu begleiten. Aus meiner Sicht sollte jedes Unternehmen, das in der IT-Branche unterwegs ist, auch die wichtigste Fachgesellschaft in diesem Bereich unterstützen. Die finanziellen Beiträge sind für Unternehmen ja überschaubar. Unabhängig von diesem altruistischen Motiv gibt es auch handfeste Nutzenargumente einer Mitgliedschaft: die Möglichkeit des Austauschs in Fachkreisen und vor allem der Zugang zum Informatik-Nachwuchs. Dass mein Arbeitgeber genua bei der GI korporatives Mitglied ist, ist jedenfalls Ehrensache, und das war auch schon vor meiner Vizepräsidentschaft so.

Wie profitiert Ihr als Unternehmen von der GI-Mitgliedschaft?

Genua ist sehr daran interessiert, im Angesicht der sich schnell entwickelnden Technologien selbst den Anschluss zu halten. Nicht ganz zufällig leisten wir uns bei knapp 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine eigene Forschungsabteilung. Wir finden es wichtig, den Dialog mit anderen Expertinnen und Experten auf dem Gebiet zu suchen und nutzen dazu jeden möglichen Kanal. Die GI stellt hier einen sehr guten Zugang in die akademische Informatik-Gemeinde dar. Ein wichtiger Punkt ist für uns natürlich die Unterstützung des Informatik-Nachwuchses. Wir spüren ja am eigenen Leib, wie schwierig es ist, kompetente Mitarbeiter zu finden. Das wird sich in Zukunft eher verschärfen, wenn wir es nicht schaffen, mehr Jugendliche – insbesondere junge Frauen – für unsere Themen zu begeistern. Die GI arbeitet aus unserer Sicht genau auf dieses Ziel hin: Über 330.000 Schülerinnen und Schüler haben im letzten Jahr am Informatik-Biber teilgenommen. Mit dem Jugendwettbewerb Informatik wurde ein Format etabliert, bei dem spielerisch erste Programmierfähigkeiten entwickelt werden, und wir arbeiten an vielen Stellen darauf hin, dass der Informatik im Schulunterricht der Raum zugestanden wird, der ihr gebührt. Die GI engagiert sich auch im Verein „MINT Zukunft schaffen“, der künftig verstärkt Themen der Digitalisierung in die Schulen tragen möchte.

Warum liegt Ihnen der Informatik-Nachwuchs am Herzen?

Die Digitalisierung ist ja omnipräsent. Informationstechnische Systeme finden Sie heute beispielsweise bereits in Spielsachen. Künftig werden immer mehr Informatiksysteme im Verborgenen arbeiten, ohne von den Betroffenen erkannt zu werden. Neben gewünschten und erwartbaren Funktionen und Ergebnissen treten auch Phänomene auf, die oft unerklärlich bleiben oder zunächst unverständlich sind. Beispiele dafür sind gezielte Platzierung von Werbung durch Cookies oder die Verbreitung von Fake News in sozialen Medien durch Chatbots. Diese Dinge für den Rest der Gesellschaft zu erklären und einzuordnen, ist eine Verantwortung, die wir unter anderem in der GI tragen müssen. Und weil es immer mehr IT gibt, brauchen wir auch immer mehr Informatikerinnen und Informatiker. Nicht nur, um die Systeme von morgen zu entwickeln, sondern auch, um aufgeklärt und neutral auf die Chancen, aber auch auf die Risiken für die Gesellschaft und die Individuen hinzuweisen. Unsere Kinder müssen auf die digitale Welt vorbereitet werden und das geht aus meiner Sicht nur, wenn sie ein grundlegendes Verständnis dafür entwickeln, wie diese Systeme funktionieren und wirken – und eben nicht nur, wie sie zu bedienen sind.

Was sind Ihre persönlichen Ziele für Ihre Amtszeit als Vize-Präsident?

Ich will meinen Beitrag dazu leisten, dass die GI ein noch attraktiverer Ort des kritischen Austauschs, des konstruktiven Miteinanders und des gemeinsamen Wirkens für eine Informatik wird, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt. Das klingt jetzt zwar etwas pathetisch, trifft aber den Kern: Wir sollten formulieren, was die Technik für uns leisten soll, und nicht der Technik als Selbstzweck nachrennen. Konkret will ich den Austausch insbesondere zwischen den „Erfahrenen” und den „Jungen” fördern. Ich will die Partizipationsmöglichkeiten unserer Mitglieder stärken. In unserer schnelllebigen Zeit ist langfristiges ehrenamtliches Engagement keine Selbstverständlichkeit mehr. Das trifft nicht nur die freiwillige Feuerwehr oder politische Parteien – auch die GI muss sich um dieses Engagement bemühen und es wertschätzen. Deshalb gehören diejenigen Leute, die sich engagieren möchten, auch bestmöglich unterstützt. Jedes GI-Mitglied sollte sich einbringen können, auch ohne den mühsamen Weg durch Gremien, Fachgruppen oder Arbeitskreise. Die Orientierung der GI hin zu Mitgliedern aus der Wirtschaft finde ich richtig und wichtig. Ich will meine Sicht und Erfahrung einbringen, wie die GI für Mitglieder mit praktischem Hintergrund auch attraktiver werden kann. Wenn ich nach Ende meiner Amtszeit sagen kann, ich habe in diesen Bereichen Positives bewirkt, dann bin ich zufrieden.