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Datenströme: Über die Puzzleteile des Internets

Das Internet und die darüber übertragenen Daten werden häufig als vergänglich, immateriell oder allgegenwärtig beschrieben. Doch wie ein komplexes Puzzle setzt es sich aus einer Reihe physischer Elemente zusammen, die auch Grenzen überschreiten. Auf internationaler Ebene stellen sich dadurch viele Frage: nicht nur technische, sondern auch politische und wirtschaftliche. Deutlich werden diese unter anderem in der Diskussion um Rechenzentren und Seekabel.

Daten selbst sind zwar nicht greifbar, doch sie benötigen einiges an handfester Infrastruktur. Obwohl die Übertragung von Daten – persönlich oder nicht – gemäß den für das Internet entwickelten Protokollen funktioniert, läuft sie durch einige materielle Geräte. Die Infrastruktur, die die Datenströme ermöglicht, umfasst Rechenzentren, Kabel, Router, Austauschpunkte und vieles mehr. Sie sind die geografisch verorteten Ressourcen, die der Betrieb des Internets erfordert.

Ein Puzzle mit vielen Teilen

Die Internetinfrastruktur umfasst Telekommunikationssysteme, ist aber nicht darauf beschränkt. Aus diesem Grund gibt es beispielsweise Diskussionen über das Internet bei der „International Union of Telecommunication“, die sich nur mit dem System, den Geräten und den Anbietern der Telekommunikation befassen. Diese sind Teil des funktionierenden Internets, betreiben es aber nicht alleine. Das Netzwerk hat andere Schichten, Protokolle und Anwendungen, gemäß denen Daten Grenzen überschreiten. Zusammengefasst: Das Internet ist kein Synonym für Telekommunikation, obwohl es einige Teile des Telekommunikationssystems nutzt.

Die Infrastruktur des Internets ermöglicht Verbindungen, Datenverkehr, Routing, Austausch, Speicherung und viele andere Verarbeitungen, die sowohl personenbezogene als auch nicht personenbezogene Daten betreffen. Weil das Internet und darauf basierende Anwendungen für das Funktionieren der Gesellschaft sehr wichtig sind, werden die meisten Bestandteile dieser Infrastruktur als kritisch definiert. Ihre Sicherheit, ordnungsgemäße Funktion und Wartung sollten im Interesse der breiten Öffentlichkeit stattfinden. Zwei Beispiele und die damit verbundenen Debatten sind Rechenzentren und Seekabel.

Rechenzentren: keine Frage der Lage?

Rechenzentren speichern Daten oder, üblicher, Datensätze, die über das gesamte Netzwerk verteilt sind. Zahlreiche Maschinen sind dort zusammengeschlossen und ermöglichen laufende Anwendungen und Dienste über das Internet. Dafür werden vielfältige Daten in großen Mengen und mit hoher Geschwindigkeit verarbeitet. Die meisten Rechenzentren sind im globalen Norden zu finden. Dieses Ungleichgewicht führt zu Diskussionen über die Technologieverteilung, Klimaaspekte, die Rechtslage, Besteuerung und Anreize für Innovation sowie die Sicherheit der Speicher hervor. In Deutschland gibt es zum Beispiel viele Bemühungen, das Land als Standort für Rechenzentren attraktiver zu machen.

Obwohl Rechenzentren physische Einrichtungen sind, bestimmt ihr Standort nicht unbedingt, wie sie funktionieren. Unabhängig von ihrer geografischen Lage können die Kontrolle und das Management von gespeicherten Daten überall auf der Welt erfolgen. Aus diesem Grund sind die gesetzlichen Rahmenbedingungen der Region oder des Landes, in dem sich ein Rechenzentrum befindet, in der Praxis nicht effektiv. Denn diese Bedingungen berücksichtigen nicht, dass Infrastruktur und Daten auf der ganzen Welt verteilt sind. Zudem werden dabei die unterschiedlichen Datenpfade ignoriert, und die Funktion von digitalen Technologien missverstanden.

Schließlich ist es wichtig, darauf hinzuweisen: Nur weil sich Rechenzentren in einem bestimmten Land befinden, bedeutet das nicht unbedingt, dass die Behörden dieses Landes Zugriff auf die Daten haben. Warum sind die Standorte von Rechenzentren dann überhaupt wichtig? Sie haben ökonomische und geopolitische Bedeutung. Das zeigt die Diskussion um Tiktok und seine Pläne, in Europa seine Rechenzentrum umzuziehen: Es gibt politische, sicherheitsrelevante, unternehmerische und internationale Kriterien, um die Standorte des Rechenzentrums zu wählen.

Seekabel: Verbindungen über Kontinente

Damit das Internet funktioniert, verknüpfen verschiedene Sorten von Kabeln viele Maschinen auf der ganzen Welt. Sie haben unterschiedliche Materialien, Strukturen und Durchmesser und kommen an unterschiedlichen Orten zum Einsatz. Unterseekabel verbinden beispielsweise verschiedene Länder, Regionen und Kontinente. Sie sind wahrscheinlich der sichtbarste Aspekt des Internets weltweit: www.submarinecablemap.com.

Die Verfügbarkeit von Kabeln ist ein großes Problem für das Funktionieren des Internets. Sie sind die Wegefür das Netzwerk gemäß seinen Protokollen. Die Lage der Kabel – etwa in internationalen Gewässern, auf Inseln oder an Küsten – und ihre Verteilung führen auch zu Debatten über ihre Sicherheit und die Sicherheit der Informationen, die durch sie übertragen werden. Um Verbindung und Kommunikation zu gewährleisten, ist es wichtig, verschiedene Wege über Kabel zu schaffen. Doch es gibt viele Streitigkeiten über die Kosten für den Bau und die Wartung von Kabeln. Ihre Bedeutung für das Netzwerk spiegelt auch geopolitischer Spannungen und die Notwendigkeit wider, die Integrität und Sicherheit dieser Strukturen zu wahren, insbesondere auf internationaler Ebene.

Zukunftsperspektiven: Geräte und ihre Standorte mitdenken

Über die Strukturen, die Datenströme ermöglichen, wird ständig diskutiert: insbesondere, wenn sie sich weltweit vernetzen. Die Verbindung zwischen Ländern, Regionen und Kontinenten ist nur möglich, weil an jeder Übertragung Kabel, Server, Router und Rechenzentren auf der ganzen Welt beteiligt sind. Auf welchenWegen Daten übertragen werden können, ist daher eine Frage der Verfügbarkeit des Systems und seiner Erreichbarkeit. Daher hängt die Zukunft der globalen Datenströme auch von physischen, vernetzten und sehr oft grenzüberschreitenden Geräten ab ­ und von deren Entwicklung, Wartung, Sicherheit und Verbreitung, weit über die Landesgrenzen hinaus.

 

Dieser Beitrag ist Teil des laufenden Projekts „Follow the Flow: Impacts of Regulation for Cross-border Data in Brazil and Germany“, mit dem Ziel, den disziplinären Dialog über Datenflüsse zu erweitern. Das Projekt wird von der Alexander-von-Humboldt-Stiftung finanziert und ist bei der Gesellschaft für Informatik angesiedelt. Alle Meinungen, die in diesem Beitrag wiedergegeben werden, spiegeln ausschließlich die Ansichten der Autorin wider.  Die Autorin bedankt sich bei Luise Kühne für die Korrektur und Alexandra Resch für ihre redaktionellen Vorschläge und Kommentare.

Luiza Brandão

Luiza ist Juristin, hält ein Master of Laws Degree (LL.M.) und ist Forscherin für das Projekt „Follow the Flow: Impacts of Regulation for Cross-border Data in Brazil and Germany“, mit dem Ziel, den disziplinären Dialog über Datenflüsse zu erweitern. Das Projekt wird von der Alexander-von-Humboldt-Stiftung finanziert und ist bei der Gesellschaft für Informatik angesiedelt.

E-mail: luiza.brandao@gi.de