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Lexikon

Smart Contracts

Zusammenfassung

Smart Contracts sind rechtliche Vereinbarungen, die sich IT-Technologien bedienen, um die eigene Durchsetzbarkeit sicherzustellen. Es werden durch Smart Contracts autonom Handlungen initiiert, die zuvor vertraglich vereinbart wurden. Beispielsweise können vereinbarte Zahlungen von Geldbeträgen selbsttätig veranlasst werden. Basieren Smart Contracts auf Blockchains ergeben sich per se vertrauenswürdige Transaktionen. Eine dritte Instanz zur Sicherstellung einer korrekten Transaktion, beispielsweise eine Bank oder ein virtueller Markt-platz, wird nicht benötigt. Echte Peer-to-Peer-Verträge sind möglich. Ein weiterer Anwendungsfall von Smart Contracts ist denkbar. Smart Contracts könnten statt Vereinbarungen von Vertragsparteien gesetzliche Regelungen ausführen. Beispielweise die Regelungen des Patentgesetzes könnten durch einen Smart Contract im-plementiert werden. Die Verwaltung von IPRs (Intellectual Property Rights) entsprechend den gesetzlichen Regelungen würde dadurch sichergestellt werden. Bislang werden Spezialisten, beispielweise Patentanwälte, benötigt, um eine akkurate Administration von Schutzrechten zu gewährleisten. Smart Contracts könnten die Dienstleistungen dieser Spezialisten auf dem Gebiet des geistigen Eigentums obsolet werden lassen.

Smart Contracts auf Basis einer Blockchain

Das Internet kann als Internet of Information bezeichnet werden. Nur Daten bzw. Informationen können direkt zwischen zwei Teilnehmern ausgetauscht werden. Will man beispielsweise Gegenstände erwerben, benötigt man eine dritte vertrauenswürdige Instanz, zum Beispiel einen virtuellen Marktplatz. Alternativ können Blockchains Vertrauen in die entsprechende Transaktion gewährleisten. Ein Intermediär, eine Bank oder ein Marktplatz, ist nicht erforderlich. Blockchains weisen zwei Eigenschaften auf, die Vertrauen in die verwaltete Transaktion her-stellen: Transparenz und Relevanz der Mehrheit der Teilnehmer der Blockchain. Transparenz ergibt sich da-durch, dass die Blockchain für jeden einsehbar sein kann. Die Blockchain kann wie ein öffentliches Register gestaltet werden, das für jeden Teilnehmer zugänglich ist. Die Relevanz der Mehrheit ist beim Fortschreiben der Blockchain entscheidend. Eine Blockchain weist eine Sequenz von Datensätzen auf, die Transaktionen beschreiben können. Die bereits vorhandenen Datensätze können nicht verändert werden. Es können nur zusätzliche Datensätze als Erweiterungen in die Blockchain aufgenommen werden. Diese Erweiterungen sind dadurch möglich, dass mindestens 51% der Teilnehmer von der Richtigkeit der aufzunehmenden Erweiterung überzeugt sind. Unter der Annahme, dass die Mehrzahl der Teilnehmer keine betrügerischen Absichten hegt, sind Betrugsversuche daher ausgeschlossen. Die Technologie der Blockchains wird als „the next big thing“ angesehen [2]. Auf der anderen Seite automatisieren Smart Contracts vertraglich definierte Regelungen. Eine Kombination beider Technologien führt zu sich selbst ausführenden Verträgen, in deren korrekte Ausführung vertraut werden kann. Echte Peer-to-Peer-Geschäfte über Waren oder Geld werden möglich [7]. Aus dem Internet of Information wird ein Internet of Values. Vertrauenswürdige dritte Instanzen werden obsolet [13].

Plattformen und Sprachen für Smart Contracts

Ethereum ist die erste und bislang bekannteste Plattform für Smart Contracts auf Basis von Blockchains [4]. In Ethereum können Accounts angelegt werden, die Ether, die virtuelle Währung der Ethereum-Plattform, und Smart Contracts verwalten. Smart Contracts werden vom Account-Inhaber erstellt. Die Kryptowährung Ether wird benötigt, um die Ausführung der Smart Contracts bezahlen zu können. Der Account-Inhaber muss dafür bezahlen, dass sein Smart Contract ausgeführt wird. Für aufwändige Smart Contracts werden mehr Ether benö-tigt als für einfache. Der Smart Contract kann in einer maschinennahen Low-Level-Sprache oder zur leichteren Lesbarkeit in einer High-Level-Programmiersprache geschrieben sein. Am Anfang von Ethereum war Serpent die maßgebliche High-Level-Programmiersprache für die Ethereum-Plattform, heute ist es Solidity. Eine Alternative zu Ethereum stellt Lisk dar [10]. Lisk ist ebenfalls eine Plattform für Smart Contracts auf Basis der Blockchain-Technologie. In Lisk können Smart Contracts in JavaScript geschrieben werden.

Praxisbeispiele von Smart Contracts auf Blockchain-Basis

Neben der virtuellen Währung Ether der Ethereum-Plattform gibt es eine große Zahl an weiteren Digitalwährun-gen auf Blockchain-Basis. Die bekannteste ist Bitcoin. Virtuelle Währungen sind „privates“ Geld, das von kei-nem Staat legitimiert oder garantiert wird [8]. Es gibt beispielsweise keine Bitcoin-Scheine oder Münzen, vielmehr besteht die Währung Bitcoin aus einer Sequenz von Datensätzen, die einzelnen Transaktionen entsprechen. Die gesamte Sequenz repräsentiert alle mit Bitcoins getätigten Geldtransfers [11]. Die Vielzahl paralleler Kryp-towährungen kann einen „Währungswechsel“ erforderlich machen. Hierzu werden beispielsweise Bitcoins ge-sperrt, um einen Betrag der gewünschten Zieldigitalwährung zu erhalten. Diese Transaktion kann dank der Low-Level-Programmiersprache Script von Bitcoin vorgenommen werden [6]. Mit Bitcoin können daher einfache Smart Contracts programmiert werden. Ansonsten haben Smart Contracts noch keine nennenswerte Verbreitung oder Akzeptanz erfahren. Die bislang bestehenden Realisierungen sind eher als „proof of concept“ anzusehen.

Beispiel: Management von Intellectual Property Rights

Für den Erwerb und den Erhalt von IPRs sind die Gesetze des geistigen Eigentums einzuhalten. Insbesondere sind gesetzliche Fristen zu beachten und Gebühren zu bestimmten Zeiten und in passender Höhe zu bezahlen. Dies erfordert ein akkurat funktionierendes Fristenüberwachungssystem. Ein Anmelder, der nur ein kleines IPR-Portfolio besitzt, wird nicht in der Lage sein, diese Aufgabe adäquat und wirtschaftlich zu erfüllen. Patentan-waltskanzleien und spezialisierte Rechtsanwälte bieten ihre Dienstleistungen an, um diese Aufgabe zu überneh-men. Patentanwaltskanzleien als Intermediäre stellen sicher, dass die Schnittstelle zwischen einem Anmelder und dem Patentamt funktioniert. Abbildung 1 zeigt, wie eine Kanzlei in die Administration eines Schutzrechts einbezogen ist. Anmelder ist, wer die Erfindung beim Patentamt einreicht. Der Anmelder ist der Erfinder oder dessen Rechtsnachfolger. Beispielsweise aufgrund einer Rechtsstellung als Arbeitgeber kann ein Rechtsübergang einer Erfindung nach § 6(1) Arbeitnehmererfindungsgesetz erfolgen. Der Arbeitgeber ist dann berechtigt die Erfindung seines Arbeitnehmers beim Patentamt für sein Unternehmen einzureichen.

Die Bestimmungen des Patentgesetzes können als if-then-Beziehungen in einem Smart Contract implementiert werden. Wird beispielsweise festgestellt, dass formale Voraussetzungen von der betreffenden Patentanmeldung nicht erfüllt werden, kann der Smart Contract selbsttätig Korrekturen vornehmen. Der Smart Contract könnte ferner die grundsätzliche Patentfähigkeit durch thematische Einordnung der Erfindung bewerten und gegebenenfalls auf Mängel hinweisen. Der Smart Contract kann daher die Einreichung beim Patentamt und die darauffolgende Korrespondenz bis zur Erteilung des Schutzrechts übernehmen bzw. für den Anmelder zumindest erleichtern. Ein weiteres Beispiel für die Leistungsfähigkeit von Smart Contracts kann sich nach einem Nichtigkeitsverfahren ergeben. Wurde das Patent für nichtig erklärt und gibt es einen Lizenzvertrag, kann die Zahlung von Lizenzgebühren automatisch eingestellt werden. Entsprechend der Rechtsprechung müssen bereits gezahlte Lizenzgebühren nicht zurückbezahlt werden [1]. Laufende Verhandlungen über einen Patentverkauf können abgebrochen werden. Außerdem kann der Smart Contract die Bezahlung der Jahresgebühren überwachen. Abb. 2 stellt die Administration von Schutzrechten durch einen Smart Contract dar. Der Smart Contract übernimmt die Kommunikation zwischen Schutzrechtsinhaber und Patentamt. Eine Patentanwaltskanzlei ist nicht erforderlich [5].

 Eine Aufgabe des Patentamts ist es, ein öffentliches Register der Schutzrechte zu unterhalten. Dieses Patentregister ist online zugänglich. In dem Patentregister ist die Abfolge von Transaktionen beschrieben, die eine Pa-tentanmeldung bzw. ein Patent durchlaufen hat. Eine erste Transaktion ist die Einreichung der Patentanmeldung. Weitere Transaktionen können die Erstellung eines Prüfbescheids durch das Patentamt, die Erwiderung auf den Bescheid, die Patenterteilung, eine Lizenzvergabe und der Verkauf des Patents sein. Zusätzliche Transaktionen können die Zahlung von Jahresgebühren, die Inanspruchnahme von Prioritäten, ein Einspruchsverfahren oder ein Nichtigkeitsverfahren sein. Diese Aufeinanderfolge von Ereignissen kann durch die Sequenz einer Blockchain innerhalb eines Smart Contracts dargestellt werden. Durch diese Blockchain könnte das Patentregister des Patentamts ersetzt werden. Blockchains eignen sich zum Aufbau eines amtlichen Registers. Dass dies nicht abwegig ist, zeigen die Beispiele Honduras und Griechenlands. Beide Länder bereiten sich darauf vor bzw. planen den Ersatz ihrer Grundbuchämter durch Blockchains [3].

Eine weitere Aufgabe des Patentamts ist es, die Einhaltung der formalen Erfordernisse der Gesetze durch den Anmelder eines Schutzrechts zu überwachen. Diese Formalprüfung könnte durch Smart Contracts, die selbsttätig und garantiert vertrauenswürdig agieren, entfallen. Es wäre für das Patentamt nicht notwendig entsprechende Kontrollprozeduren neben einem „handelnden“ gesetzeskonformen Smart Contract zusätzlich aufrechtzuhalten. 

Von den drei wesentlichen Aufgaben des Patentamts, nämlich das Führen eines öffentlichen Patentregisters, die Kontrolle der formalen Erfordernisse an ein Schutzrecht und die Prüfung auf Neuheit und erfinderische Tätigkeit des betreffenden Schutzrechts, könnten die ersten zwei daher entfallen. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass der betreffende Smart Contract die Regeln des Patentgesetzes umsetzt [3]. Es muss davon ausgegangen werden können, dass der Smart Contract garantiert gesetzeskonforme Aktionen auslöst. Daher wäre die Errichtung eines Internetportals erforderlich, mit dem ein Anmelder eines Schutzrechts gesetzeskonforme Smart Contracts erzeugen kann. Würde das Patentamt eine derartige Internetplattform betreiben, würde es sich und den Anmeldern die Administration von Schutzrechten erheblich erleichtern. 

Die Verwaltung einer Patentanmeldung bzw. eines Patents umfasst insbesondere die Bezahlung der Jahresgebühren. Ein Smart Contract auf Basis einer Patentanmeldung könnte die Fälligkeit der Jahresgebühren überwachen und die Bezahlung selbsttätig vornehmen. Angenommen ein Anmelder hat am 13.3.2016 eine Patentanmeldung beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht. Nach § 17 Patentgesetz ist für das dritte und jedes folgende Jahr einer Patentanmeldung bzw. eines Patents eine Jahresgebühr zu entrichten. Nach §3 Absatz 2 Satz 1 Patentkostengesetz ergibt sich die Fälligkeit am letzten Tag des Monats, der dem Monat des Anmeldetags entspricht. Die erste Jahresgebühr ist daher am 31.3.2018 fällig. Die weiteren Fälligkeiten wären jeweils ein Jahr später.

Die Abb. 3 zeigt ein Flussdiagramm für einen entsprechenden Smart Contract. Der Anmelder gibt nur den Anmeldetag seiner Patentanmeldung ein. Der Smart Contract berechnet sämtliche Fälligkeitsdaten und stellt sicher, dass die Jahresgebühren rechtzeitig entrichtet werden. Es wird zunächst geprüft, ob das aktuelle Datum das Fälligkeitsdatum der Jahresgebühr ist. Vor dem Bezahlen der Jahresgebühr wird der Anmelder jeweils gefragt, ob tatsächlich die konkrete Jahresgebühr bezahlt werden soll. Falls dies der Fall ist, wird die Jahresgebühr bezahlt und der Anmelder wird darüber informiert. Vorteilhafterweise muss sich der Anmelder um die Bezahlung der Jahresgebühr nicht kümmern. Er benötigt kein eigenes Fristensystem und ist auch nicht darauf angewiesen, eine externe Dienstleistung hierzu in Anspruch zu nehmen. Der Smart Contract stellt sicher, dass die Jahresgebühr am Fälligkeitstag in richtiger Höhe überwiesen wird. Ein Versäumen der Frist ist ausgeschlossen. Es entfällt die Gefahr eines Rechtsverlusts.

Fazit

„Code is law“ schrieb Lawrence Lessig im Jahre 2000. Er wollte ausdrücken, dass das Internet das tägliche Leben derart stark beeinflusst, dass quasi aus der Software des Internets Regeln des täglichen Lebens entstehen [9]. Durch Smart Contracts könnten seine Worte Realität werden. Allerdings nicht im Sinne Lessigs, sondern wort-wörtlich. Durch die Software der Smart Contracts können gesetzliche Regeln umgesetzt werden. 

Smart Contracts kann eine große Zukunft bevorstehen. Zumindest haben Smart Contracts das Potenzial, unser Leben durch die Erweiterung des Internets von einem Internet of Information zu einem Internet of Values tief greifend zu ändern. Auch der gewerbliche Rechtsschutz kann durch Smart Contracts verändert, vielleicht revolutioniert werden (siehe die Thesen). Allerdings lässt sich heute selbst mit einer ausgefeilten Szenariotechnik nicht vorhersagen, welche Änderungen Smart Contracts tatsächlich initiieren werden. Eine Möglichkeit wäre, dass Smart Contracts Patente ganz ersetzen werden [12]. Wahrscheinlicher ist, dass Patente als ökonomische Monopole erhalten bleiben, wobei aber Smart Contracts die Verwaltung von Schutzrechten vereinfachen werden.

Thesen

  • Ein Smart Contract kann die Verwaltung einer Patent-, Gebrauchsmuster-, Marken- oder Designanmeldung übernehmen oder zumindest erleichtern.
  • Beispielsweise kann ein Smart Contract an die jeweiligen Amtsgebühren erinnern bzw. diese gleich selbst bezahlen.
  • Eine neue Aufgabe des Patentamts kann die Schaffung einer Plattform zur Erzeugung von gesetzeskonformen Smart Contracts darstellen.
  • Das Register eines Patentamts kann durch eine Blockchain-Technologie obsolet werden.

Literatur

  1. BGH GRUR (1969) "Rübenverladeeinrichtung”, 12:677-681; BGH GRUR (1977) „Werbespiegel”, 2:107-110
  2. Economist (2015) Blockchain. The next big thing (9.05.2015), www.economist.com/news/special-report/21650295-or-it-next-big-thing, last access: 24. Januar 2017
  3. Economist (2015) Blockchains: The great chain of being sure about things (31.10.2015), www.economist.com/news/briefing/21677228-technology-behind-bitcoin-lets-people-who-do-not-know-or-trust-each-other-build-dependable, last access: 24. Januar 2017
  4. Ethereum: www.ethereum.org, last access: 10. April 2017
  5. Fries M (2016) PayPal Law und Legal Tech – Was macht die Digitalisierung mit dem Privatrecht? Neue Juristische Wochenschrift 39:2860-2865
  6. Giese P, Kops M, Wagenknecht S, de Boer D, Preuss M (2016) Die Blockchain Bibel. DNA einer revolutionären Technologie. BTC-Echo, Kleve, S 59-63
  7. Glatz F (2016) Technological Solutions to Legal Problems? A report on a two-day workshop in Münster on the Digital Revolution in Europe. Journal of European Consumer and Market Law 1:67-68
  8. Hildner A (2016) Bitcoins auf dem Vormarsch: Schaffung eines regulatorischen Level Playing Fields? Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht 12:485-495
  9. Lessig L (2000) Code is Law. Harvard Magazine 2000, Jan/Feb. harvardmagazine.com/2000/01/code-is-law-html, last access: 24. Januar 2017
  10. Lisk: lisk.io, last access: 12. Mai 2017
  11. Plitt D, Fischer R (2016) Kryptowährungen im Arbeitsrecht – Wieviel Bitcoin darf es sein? Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht 13:799-803
  12. Swan M (2015) Blockchain: Blueprint for a new economy. O´Reilly, Sebastopol, p 11
  13. Wright A, De Filippi P (2015) Decentralized blockchain technology and the rise of lex cryptographia. papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm, last access: 24. Januar 2017

Autor und Copyright

Dipl.-Ing. (Univ.) Dipl.-Wirtsch.-Ing. (FH) Thomas Heinz Meitinger, LL.M., LL.M., MBA, MBA, M.A., M.Sc. 

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