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Meldung

Interview mit Christine Regitz: "Mein Blickwinkel ist jetzt ein anderer"

Seit Januar 2022 ist Christine Regitz Präsidentin der Gesellschaft für Informatik, die erste in der 50-jährigen Geschichte der Fachgesellschaft. Edna Kropp hat sie für die Fachgruppe "Frauen und Informatik" interviewt und mit ihr über ihre neue Rolle, ihre Ziele als Präsidentin und die wenige verbliebene Freizeit gesprochen.

Edna Kropp: Herzlichen Glückwunsch zu deiner neuen Rolle als Präsidentin der Gesellschaft für Informatik, die du seit Anfang 2022 eingenommen hast. Wie würdest du in einfachen Worten erklären, was eine Präsidentin der größten und wichtigsten Fachgesellschaft für Informatik im deutschsprachigen Raum macht?

Christine Regitz: Als Präsidentin repräsentiere ich die GI und die Informatik gegenüber der Öffentlichkeit. Das bedeutet, dass ich mich im Sinne unserer Vereinsziele für die Förderung der Informatik in Wissenschaft, Wirtschaft und Politik starkmache. Gleichzeitig bin ich Organisatorin und Leiterin des Vereins. Dazu gehören eine Reihe Vorstandsaufgaben wie Sitzungen vorzubereiten und zu leiten.

Womit verbringst du die meiste Zeit in deiner neuen Rolle als Präsidentin?

Zum einen ist das die Zusammenarbeit mit der Geschäftsführung des Vereins. Zum anderen erarbeiten wir als neu gewählter Vorstand eine Agenda, die wir gemeinsam mit den Ehrenamtlichen umsetzen wollen. Da wir insgesamt eine recht neue Gruppe sind, müssen wir uns dabei auch als Team etablieren. Es liegen also eine ganze Reihe an spannenden Aufgaben vor uns.

Was sind deine Ziele als Präsidentin?

Ich setzte mich für das Thema Informatik und im Besonderen auch für die Stärkung des Faches in all seiner Vielfalt ein. Bisher wird es noch zu eng gesehen. Beispielsweise gibt es viele Bindestrich-Fächer wie die Medizininformatik, die noch zu wenig Erwähnung finden und gerade bei Frauen in der Studien- und Berufswahl sehr beliebt sind.

Natürlich ist auch das Thema Bildung insgesamt wichtig. Informatik sollte standardmäßig in der Schule gelehrt werden, ein eigenes Fach bilden und dies je früher desto besser. So können wir auch die Mädchen viel besser erreichen und für das Fach begeistern.

Ein weiterer Schwerpunkt ist, die Mitglieder der GI noch mehr in die Aktivitäten des Vereins einzubinden und deren Interessen noch stärker zu vertreten. Dafür nehmen wir zum Beispiel direkten Kontakt mit den Leitungsgremien der einzelnen Fachbereiche und Fachgruppen auf.

Zudem erarbeiten wir im Vorstand aktuell eine Vision: die GI in den nächsten zehn Jahren. Da geht es sowohl um politische als auch um wirtschaftliche Schwerpunkte.

Die wirtschaftliche Bedeutung sehen wir im besonderen Maße bei der Stärkung des Mittelstands, aber auch für Investitionen in Forschung und Entwicklung. Außerdem haben wir einen Auftrag und sind uns unserer Verantwortung bewusst, die politische Agenda mit den gesetzten Zielen aktiv voranzutreiben. Dazu gehören auch Beratung und Stellungnahmen zu Themen wie Verschlüsselung und europäische Gesetzesvorhaben. Wir sollten in der breiten Gesellschaft Technik begreifbar machen, und somit auch für Ethik in der Informatik weiter sensibilisieren. Denn das Digitalisierungsthema wird uns alle noch lange begleiten.

Was bedeutet deine neue Rolle für dich, hat sich dein Leben dadurch verändert?

Als Präsidentin kann ich in Absprache mit dem Vorstand Schwerpunkte setzen. Mein Blickwinkel ist jetzt ein anderer. Als Fachgruppensprecherin beziehungsweise als Mitglied im Präsidium konnte ich mich für meine Themen wie die ethischen Leitlinien der GI einbringen, jedoch die allgemeinen Prioritäten insgesamt weniger stark beeinflussen. In meiner neuen Rolle kann ich für die Gesellschaft relevante Themen, die neben fachlichen Themen dringender Aufmerksamkeit bedürfen, mehr Sichtbarkeit geben. 

Du bist die erste Frau, als Präsidentin. Das ist nicht unbedingt eine Rolle, die man sich als Kind vorstellen kann. Was wolltest du werden, als du klein warst?

Ich gehöre zu den Menschen, die das nie wussten. Ich hätte mir alles vorstellen können. Ich koche sehr gerne und wollte einmal Köchin werden. Ich konnte mir vorstellen, eine Schreinerin und später auch Managerin zu werden. Mit Ausnahme von Ärztin war ich für alles offen.

Gab es einen besonderen Wendepunkt, der dich bis dahin gebracht hat, wo du heute bist?

Einen einzelnen Wendepunkt gab es nicht. Es gab viele Punkte, bei denen ich mich mit einer Änderung konfrontiert gesehen habe. Dann habe ich mich immer gefragt: Was kann ich und was will ich? So musste ich Entscheidungen treffen, was meine Stärken sind und wo diese mich hinführen. Ich bin meinen Stärken gefolgt und hatte Personen, die mir dabei geholfen haben, indem sie mir Feedback gegeben haben, sodass ich bei den Entscheidungen ein gutes Gefühl haben konnte, zum Beispiel meine Chefs.

Hast du Glück gehabt oder dir deine Chefs gut ausgewählt?

Ich hatte oft das Glück, mir meine Chefs aussuchen zu können. Ein guter Chef empfiehlt dich weiter. Mit einem guten Chef ist jedes Thema spannend. Es ist so wichtig einen guten Chef oder eine gute Chefin zu haben.

Hattest Du je eine Chefin?

In meinen frühen Jahren hatte ich eine Chef-Chefin, also die Chefin meines Chefs, die sehr wichtig für mein Leben war. Zu einer Zeit, als SAP wenig Hierarchiestufen hatte. Sie war weniger ein Vorbild als mehr eine Sparringpartnerin.

Was du beschreibst, ist als Sponsoring bekannt. Eine Führungskraft, die deinen beruflichen Werdegang aktiv vorantreibt. Welchen Stellenwert hat Mentoring?

Besonders am Anfang der Karriere erscheint es mir wichtig. Beim Mentoring kann man konkrete Handlungsalternativen abwägen und Unterstützung für einzelne Aktivitäten bekommen. Zum Beispiel Feedback auf Fragen wie: Wie würdest du den Termin vorbereiten? Was sagst du zu dieser E-Mail?

Was machst du noch so alles neben der Aufgabe im Präsidium? Du hast doch noch eine Stelle bei SAP, oder?

Richtig, bei SAP habe ich zurzeit zwei Aufgabenbereiche. Zum einen sitze ich im Aufsichtsrat und seit Anfang 2020 leite ich SAP Women in Tech. Das ist eine Initiative, um Expertinnen sichtbar zu machen und zu vernetzen.

Hast du dabei noch Zeit für Hobbies?

Da ich so gerne koche, bin ich sehr froh, wenn ich im Garten arbeiten kann, um meine eigenen Tomaten anpflanzen zu können. Dabei kommt mir die Zeit im Homeoffice sehr entgegen. Außerdem gehe ich sehr gerne ins Kino. Einer der Filme, die ich besonders mochte, ist Tenet von Christopher Nolan. Er behandelt das Thema Zeit und Zeitumkehr. Das finde ich spannend. Seit ich ein Kind bin, fasziniert mich Science-Fiction im Allgemeinen.

Zuletzt noch eine Frage, die von einer Studentin an mich herangetragen wurde: Wie schaffst du es, alles unter einen Hut zu bringen – ohne dass hinten etwas runterfällt?

Das werde ich oft gefragt. Ich glaube, es liegt daran, dass ich gut delegieren kann. Bei SAP arbeiten wir als Team und in der GI unterstützt mich die Geschäftsstelle.

Danke für das Gespräch und bis zur nächsten Sitzung der Fachgruppe "Frauen und Informatik".

Christine Regitz, SAP und Präsidentin der GI
© Kathrin Richter, Trendsetter - GI e.V.