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Lexikon

Autostereogramme

In letzter Zeit werden großformatige Bilder, Postkarten und Bücher feilgeboten, auf denen man bunte Muster sieht, die sich wiederholen. Betrachtet man die Bilder unscharf, indem man hinter die Bildebene fokussiert, erscheint nach einiger Zeit eine räumliche Szene, die mit dem ursprünglichen Muster texturiert ist. Das Erkennen dieser Bilder erfordert einige Übung, und nicht alle Menschen sind in der Lage, den räumlichen Effekt zu erkennen.

Dieses Verfahren ist keineswegs so neu wie uns manche Anbieter glauben lassen möchten, und es kann auch auf heutigen Personal Computern durchgeführt werden. Es werden mehrere frei zugängliche Programme angeboten.

Diese Bilder bezeichnet man mit dem Oberbegriff Autostereogramm oder SIS (Single Image Stereogram). Damit können Informationen räumlich dargestellt werden. Andere Verfahren zur räumlichen Darstellung sind Stereogramme, die aus zwei separaten Bildern bestehen, Rot-Grün-Stereogramme, Shutter-Verfahren an speziellen Displays und Holographie. Anwendungen für SIS gibt es vor allem im künstlerischen Bereich. Ursprünglich wurden sie in Experimenten zur Physiologie des Stereosehens eingesetzt. Ein Autostereogramm besteht aus einem Rasterbild mit sich wiederholenden Mustern. Die räumliche Information wird dadurch gewonnen, daß die Wiederholungen nicht exakt identisch sind. Fokussiert man dieses Bildmuster mit beiden Augen etwas hinter der Bildebene, erscheint eine räumlich wirkende Figur, die das Bildmuster als Textur trägt. Die Muster können vorgegebene Rasterbilder sein oder aus Zufallswerten bestehen. Ein SIRDS (Single Image Random Dot Stereogram) ist ein Autostereogramm, das aus scheinbar zufällig verteilten Bildpunkten besteht. SIRTS (Single Image Random Text Stereogram) sind dagegen aus Buchstaben aufgebaut. Da diese einfach auf Papier oder einem Bildschirm dargestellt werden können, sind sie als Signatur in elektronischen Briefen beliebt.

Bei herkömmlichen Stereogrammen (Zeichnungen oder Fotografien) liegen die Ansichten für jedes Auge getrennt vor. Dieses Verfahren wurde früher für Fotografien benutzt. Das Betrachten wird durch eine Sehhilfe erleichtert, die sicherstellt, daß jedes Auge die richtige Ansicht sieht. Im Gehirn wird diese Information zu einem räumlichen Eindruck verarbeitet. Bei Autostereogrammen liegt die Information für beide Ansichten in einem einzigen Bild.

Allen Stereoverfahren ist gemeinsam, daß die Information über die Parallaxe im Datenmaterial enthalten sein muß. Als Parallaxe wird der Winkel bezeichnet, den die beiden Sehstrahlen bilden, wenn sie auf einen Punkt fokussiert werden. Meist wird nur die horizontale Parallaxe berücksichtigt, da sonst der Rechenaufwand zu groß würde. Daher verschwindet der räumliche Effekt, wenn man ein Autostereogramm beim Betrachten dreht.

Stereogramme haben eine lange Tradition vor allem in den Bereichen Computersehen und Computergraphik. Erste Versuche zu Random Dot Stenogrammen (RDS) wurden von B. Julesz etwa ab 1960 unternommen. Zu ihrer Erstellung wurden bereits Computer verwendet. D. Marr und T. Poggio stellen ihre umfassende Theorie über das menschliche Stereosehen auf und beschreiben unter anderem RDS, die jedoch aus zwei nebeneinanderliegenden Bildern bestehen.

Tyler und Clarke entwickeln 1990 das Autostereogramm, das nur mit einem Bild auskommt. Der Algorithmus wird von Thimbleby, Inglis und Witten verbessert und über das Internet verbreitet, weshalb die meisten Programme in diesem vergleichsweise einfachen Algorithmus ihren Ausgangspunkt haben. Eingabe in den Algorithmus ist eine Höhenmatrix, ein Rasterbild aus Höhenwerten. Diese wird von einer Betrachterposition oberhalb der Matrix aus mit dem linken und dem rechten Auge betrachtet. Der Abstand der beiden Sehstrahlen auf einer Bildebene wird errechnet und die betroffenen Pixel der Bildebene werden ermittelt. In Abb. 1 wird dieser Zusammenhang erläutert. Zusätzlich müssen Verdeckungen berücksichtigt werden.

Literatur

  1. D. Marr and T. Poggio. A computational theory of human stereo vision. Proc R. Soc. Lond. B., 204, 301-328, 1979
  2. H. Thimbleby, S. Inglis, and I. Witten. Displaying 3d images: Algorithms for single image random stereograms. erhältlich über ftp:kaz.anu.edu.au:/pub/stergrams/papers/SIDRS-paer.ps.Z, erscheint in IEEE Computer, 1994
  3. W. Leister, H. Müller and A. Stößer. Fotorealistische Computeranimation. Springer Verlag, Heidelberg 1991
  4. S. Inglis, ed. Sterogram-FAQ. Net News Article in alt.3d, 
    www.cs.waikato.ac.nz/~singlis/sirds.html, 1994
  5. Ute Claussen and Josef Pöpsel, Im Rausch der Tiefe. c’t, 7, 1994

Autor und Copyright

Dr. Wolfgang Leister, 
Metronor AS, 
Postboks 238, 
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